London droht mit Abbruch der Brexit-Gespräche

Streit um finanzielle Forderungen und Status der EU-Bürger - Barnier will Verhandlungen ab 19. Juni starten

London droht mit Abbruch der Brexit-Gespräche

ahe/hip Brüssel/London – London hat Brüssel mit dem Abbruch der EU-Austrittsverhandlungen gedroht, noch bevor diese überhaupt begonnen haben. Er rechne mit “ziemlich turbulenten” Gesprächen, sagte der für das Thema Brexit zuständige Staatssekretär David Davis der “Sunday Times”. Die erste Krise werde es in der Frage geben, wie die Verhandlungen ablaufen sollen. Streit zeichnet sich auch über die Höhe der finanziellen Forderungen Brüssels ab, die von EU-Verhandlungsführer Michel Barnier bislang nicht beziffert worden sind, manchen Quellen zufolge aber schon die 100-Mrd.-Euro-Schwelle überschritten haben. “Ich weiß nicht, wie viele Milliarden eine moderate Summe wären”, zitiert ihn das Blatt. “Ich bin arm genug, um zu denken, dass 1 Mrd. Pfund eine Menge Geld ist.” Er rechnet für den Fall, dass die EU darauf besteht, nicht über ein Handelsabkommen zu verhandeln, solange Großbritannien nicht bezahlt, mit einem Showdown. “Es reicht nicht, wenn es nur so aussieht, als könnten wir vom Verhandlungstisch aufstehen. Wir müssen dazu in der Lage sein.”Die britische Premierministerin Theresa May sagte derweil in einem Interview mit dem “Sunday Telegraph”, dass die von Großbritannien in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen bei der Aufstellung der Scheidungskosten berücksichtigt werden müssten. Daraus ergäben sich Anrechte. “Da gibt es die Investmentbank, den Investmentfonds, es gibt verschiedene Bereiche”, sagte sie der Sonntagszeitung. Damit erhebt sie erstmals Anspruch auf einen Anteil an der Europäischen Investitionsbank (EIB). Die britische Regierung beziffert ihn dem Blatt zufolge auf 16 %, was rund 10 Mrd. Euro entsprechen würde.Forderungen, jedem EU-Bürger, der irgendwann einmal in Großbritannien gelebt hat, das Recht einzuräumen, sich dort niederzulassen, zu arbeiten und Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, wies Davis rundheraus zurück. Man werde sich den Zuwanderern aus der EU gegenüber “so großzügig wie möglich” zeigen, aber nur gegenüber den 3,5 Millionen, die schon da seien. EU-Mandat jetzt offiziellIn Brüssel haben die EU-Mitgliedstaaten unterdessen offiziell Barnier sein Verhandlungsmandat erteilt und die Richtlinien für die erste Phase der Gespräche abgesegnet. Diese sollen nach Angaben des EU-Verhandlungsführers in der Woche nach dem 19. Juni beginnen – und damit fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Brexit-Votum der britischen Bevölkerung.Barnier betonte, er hoffe darauf, dass die erste Phase der Verhandlungen, in denen es vor allem um die finanzielle Schlussrechnung, den Status der Bürger sowie die Situation in Irland gehen soll, möglichst rasch abgeschlossen werde und die Gespräche über ein künftiges Freihandelsabkommen bereits zu Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres starteten.Die Gespräche würden äußerst schwierig, sagte der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth. Beide Seiten könnten nur verlieren. Die bleibenden EU-Länder müssten ihre Interessen wahren, auch wenn niemand Großbritannien für den Austritt bestrafen wolle. Die EU will, dass London für seinen finanziellen Anteil an sämtlichen während seiner Mitgliedschaft eingegangenen Verpflichtungen aufkommt. Eine Gegenrechnung in Bezug auf Gebäude oder andere Assets der EU soll es nicht geben.