BREXIT: TRICK OR TREAT

London muss Nutzen des Aufschubs beweisen

Premierministerin May will Teilnahme an der Europawahl im Mai vermeiden - Lösung noch unklar

London muss Nutzen des Aufschubs beweisen

bet London – Premierministerin Theresa May hat nun bis zu sechs Monate Zeit, um den mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag durch das britische Parlament zu schleusen. Gestern erklärte sie vor dem Unterhaus, sie sei sich der wachsenden Frustration im Land wegen des Aufschubs bis maximal Ende Oktober bewusst – und ebenso der Unsicherheit und des Drucks auf die Abgeordneten. Sie will die Ratifikation des Austrittsvertrags möglichst bis zum 22. Mai über die Bühne bringen. Nur auf diese Weise kann das Vereinigte Königreich eine blamable Teilnahme an den Wahlen zum EU-Parlament vermeiden.EU-Ratspräsident Donald Tusk empfahl den Briten in der Nacht zu Donnerstag, die durch den EU-Beschluss gewonnene Zeit nicht zu vergeuden. In gewissem Kontrast dazu wurden in London die zuvor auf der Kippe stehenden Osterferien des Parlaments wieder auf den Plan gesetzt. “Lassen Sie uns über die Entscheidungen reflektieren, die wir nach unserer Rückkehr treffen müssen”, rief May den Abgeordneten zu. In ihrem Fall wird zu entscheiden sein, welche Zugeständnisse sie der oppositionellen Labour-Partei anbieten wird, um den drei Mal im Parlament gescheiterten Brexit-Vertrag vor der Europawahl zu verabschieden.May wich am Donnerstag jeder Frage aus, wie diese Konzessionen aussehen könnten. In einem in der jüngeren Vergangenheit des britischen Politiksystems einmaligen Schritt hatte sie sich vergangene Woche entschlossen, die monatelang erfolglose Suche nach einem Konsens in der eigenen Konservativen Partei aufzugeben und stattdessen einen Kompromiss mit Labour zu suchen. Die Gespräche drehen sich um Änderungen an der Absichtserklärung über das künftige bilaterale Verhältnis zwischen London und Brüssel. Labour strebt eine Zollunion mit der EU und eine enge Anbindung an den Binnenmarkt an, May bevorzugt mehr handelspolitische Autonomie. Bisher gab es keine Annäherung.Während Labour am Donnerstag aufgrund der gemeinsamen Initiative auffallend schonend mit der Regierungschefin umging, erlegen sich die Brexit-Hardliner ihrer eigenen Partei weniger Zurückhaltung auf. Bill Cash, einer der Verfechter eines schnellen Bruchs mit der EU, fragte May im Parlament offen, ob sie zurücktreten wird. Obgleich die Premierministerin in Brüssel zwei Mal ihre innenpolitische Machtlosigkeit eingestehen und um einen Brexit-Aufschub bitten musste, was sie zuvor ausgeschlossen hatte, denkt sie aber vorerst nicht daran. Sie hatte ihren Rückzug nur für den Fall in Aussicht gestellt, dass ihr Austrittsvertrag durch das Parlament kommt – ein verzweifelter und erfolgloser Versuch, die Stimmen der konservativen Rebellen zu gewinnen.Das Rücktrittsversprechen ist eine Bürde im Umgang mit Labour. Die Opposition befürchtet, dass nach einer Einigung, einer Ratifizierung des Deals und Mays Abtritt ein Tory-Hardliner Regierungschef werden könnte, der sich an Mays Kompromiss mit Labour nicht gebunden fühlt. Das macht die Gespräche nicht einfacher. Die Frustration über den scheinbar endlosen politischen Prozess sei auch bei Firmen greifbar, kommentierte der Wirtschaftsverband British Chambers of Commerce. Immerhin sei die flexible Verlängerung der Brexit-Frist besser als das ständige Verschieben in der letzten Minute.