London stimmt für Brexit

Deal mit EU nimmt entscheidende Hürde im britischen Parlament

London stimmt für Brexit

Der Brexit hat eine wichtige Hürde im britischen Parlament genommen. In zweiter Lesung stimmten 358 Abgeordnete für das mit der EU ausgehandelte Abkommen – 234 dagegen. Die deutsche Wirtschaft sieht lediglich eine Verschnaufpause: Die Gefahr eines harten Brexit Ende 2020 sei noch nicht gebannt.bet/ahe London/Brüssel – Großbritannien ist dem Ausstieg aus der EU ein großes Stück näher gerückt. Das Unterhaus akzeptierte am Freitag mit deutlicher Mehrheit in zweiter Lesung das Gesetz für den Austritt, dessen Bedingungen Premierminister Boris Johnson im Herbst mit Brüssel ausgehandelt hatte. Nach den vorgezogenen Neuwahlen der vergangenen Woche konnte die konservative Regierung ihre neue Übermacht wie erwartet ausspielen: Mit 358 gegen 234 Stimmen war das Gesetzeswerk nie in Gefahr. Auch sechs Abgeordnete der Labour-Opposition schlossen sich dem Regierungsvotum an, obwohl die Partei trotz der klaren Wahlniederlage offiziell an ihrer Ablehnung festhält.Die Motive der abtrünnigen Labour-Parlamentarier wurden wohl ausgerechnet in dem Aufruf zur nationalen Einheit gespiegelt, mit dem Johnson sein Wahlversprechen wiederholte, endlich den Brexit zustande zu bekommen: “Jetzt ist die Zeit, als eine neu belebte Nation zusammenzustehen, als ein Vereinigtes Königreich, mit erneuertem Vertrauen in unser nationales Schicksal”, rief Johnson den Abgeordneten zu. Die alten Zeiten der Trennung in Befürworter und Gegner des Brexit seien vorbei, so der Premierminister.Johnsons Rhetorik vom Ende des Brexit-Streits kommt im müden Großbritannien gut an, selbst wenn sie kaum der Realität entspricht. Nach dem für Ende Januar vorgesehenen EU-Austritt beginnt erst die zweite Phase – die Verhandlung eines Freihandelsabkommens. Dass diese zweite Phase erreicht wird, kann als so gut wie sicher gelten. Zwar hat das Austrittsgesetz das Unterhaus noch nicht abschließend durchlaufen, die dritte Lesung wird nach der Weihnachtspause in der zweiten Januarwoche abgehalten. Doch es ist weiterhin kein Widerstand zu erwarten: Die Abgeordneten hießen am Freitag eine überarbeitete Version des Gesetzes gut, die drastischer ist als die im alten Parlament so umstrittene Variante. Kurze ÜbergangsperiodeWie von Johnson angekündigt enthält die neue Version das Verbot, die im Anschluss an den Brexit beginnende Übergangsperiode über das Ende des Jahres 2020 hinaus zu verlängern. Elf Monate gelten jedoch als zu kurz, um das “ambitionierte” Freihandelsabkommen zu schließen, das Johnson nach eigenen Worten anstrebt. Die Beschränkung ist weitgehend symbolisch, weckt jedoch die Erinnerung an Johnsons Strategie vom Herbst, einen ungeregelten Brexit per Ende Oktober zuzulassen. Zudem bekräftigte der Premier am Freitag, das Land nicht an EU-Regulierungen binden zu wollen – obgleich die somit nur mögliche, bloße Aufhebung von Zöllen und Quoten lediglich einen Bruchteil der möglichen Handelserleichterungen darstellt. Die Mechanismen des Parlaments zur Überwachung der Freihandelsgespräche werden ebenfalls gemindert.Entfallen ist auch die Zusage, britische Arbeitnehmerrechte nicht unter EU-Standard zu senken. Der Passus war zur Zeit des alten Parlaments aufgenommen worden, um die Erfolgschancen des Gesetzes zu erhöhen. Die Regierung hatte das Gesetz später jedoch zurückgezogen, weil die Mehrheit der damaligen Abgeordneten mehr Zeit zur Prüfung der Austrittsdetails verlangte. Nun hieß die neue Mehrheit im Unterhaus nicht nur das verschärfte Gesetz gut, sondern stimmte auch einem ambitionierten Zeitplan für den Januar zu, der nur unwesentlich mehr Raum zur Prüfung lässt.In Brüssel gab es zurückhaltende Reaktionen. EU-Ratspräsident Charles Michel bezeichnete die Zustimmung des Unterhauses als wichtigen Schritt auf dem Weg zur Ratifizierung. Darüber hinaus bekräftigte er noch einmal, für die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien seien gleiche Wettbewerbsbedingungen unerlässlich. Die EU werde hier auf Garantien bestehen.Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, sprach von einer Verschnaufpause für die Unternehmen. Und der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, verwies darauf, dass die Gefahr eines harten Brexit noch nicht gebannt sei.