London wirft Brüssel Blockadehaltung vor
hip/ahe London/Brüssel – Die britische Regierung hat der EU-Kommission eine Blockadehaltung vorgeworfen. “Ich bin zutiefst betrübt, dass die EU sich nun zu weigern scheint, mit Großbritannien zu verhandeln”, sagte der unter Boris Johnson für die “No Deal”-Vorbereitungen zuständige konservative Politiker Michael Gove. “Der Premierminister hat klargemacht, dass er mit der Europäischen Union einen guten Deal aushandeln will.” Johnson werde die ganze Energie der Regierung zum Einsatz bringen, um sicherzustellen, dass man “im Geiste der Freundschaft” ein neues Abkommen aushandeln könne. “Aber eins ist klar”, sagte Gove. “Der alte Deal, der ausgehandelt wurde, hat es drei Mal nicht durchs Unterhaus geschafft. Wir brauchen also eine neue Herangehensweise.” Brüssel müsse klar sein, dass Großbritannien die EU am 31. Oktober verlassen werde – mit oder ohne Deal. Unvereinbare ForderungenDie EU-Kommission hatte zuvor erneut ihre Haltung bekräftigt, wonach es keine Neuverhandlung des Austrittsvertrags geben wird. Die EU-27 sei lediglich bereit, über die politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen noch einmal zu sprechen, wiederholte eine Sprecherin der Behörde gestern. Sie verwies zugleich darauf, dass die EU sich keinen Austritt Großbritanniens ohne ein Abkommen wünsche. In Brüssel wurden die EU-Mitgliedstaaten unterdessen über die Ergebnisse eines Treffens von Johnsons EU-Gesandten David Frost mit Brexit-Experten der Kommission in der vergangenen Woche informiert – das erste dieser Art nach Johnsons Amtsantritt. Nach Angaben von Diplomaten gibt es demnach derzeit keine Basis für weitere Brexit-Verhandlungen. Die Forderungen von Johnson seien unvereinbar mit der EU-Position, hieß es. Wie es in den nächsten Wochen weitergehe, sei unklar.Der irische Premierminister Leo Varadkar beklagte sich über “historischen Revisionismus”. Die Sonderregelungen zu Nordirland im Austrittsabkommen seien Großbritannien nicht aufgezwungen worden. “Das stimmt so nicht”, sagte Varadkar. “Der Backstop und das Austrittsabkommen wurden gemeinsam von der britischen Regierung und der EU entworfen.” London zieht Topverdiener anDer Anteil der britischen Erwachsenen, die keine Einkommensteuer zahlen, stieg unterdessen auf einen Rekordwert. Wie eine Studie des Institute of Fiscal Studies (IFS) ergab, erhöhte er sich von 38 % im Jahr 2010 auf nunmehr 43 %. Seit 2010 hat sich der persönliche Freibetrag nahezu verdoppelt – von 6 450 auf 12 500 Pfund. Das oberste Prozent der Einkommensbezieher trägt mittlerweile mehr als ein Viertel (27 %) zu den Einnahmen aus der Einkommensteuer bei. Die Studie zeigt die zunehmende regionale Ungleichheit in Großbritannien. Um in Wales, dem Nordosten Englands oder in Nordirland zum obersten Prozent zu gehören, benötigt man ein Jahreseinkommen von 100 000 Pfund. In London liegt die Schwelle mit 300 000 Pfund deutlich höher. Ein 50-jähriger Londoner wäre mit einem Einkommen von 160 000 Pfund landesweit Teil des obersten Prozents. In der britischen Metropole käme er nicht einmal unter die obersten fünf Prozent. Der Anteil der in London lebenden Topverdiener ist von 29 % zur Jahrtausendwende auf 35 % im Fiskaljahr 2014/15 gestiegen. Mehr als die Hälfte des obersten Prozents lebt in London und dem wohlhabenden Südosten. Sie verteilt sich auf 65 Wahlkreise. Anfang des Jahrtausends waren es noch 78.