Luxemburger Steuerdeals heizen Streit in EU an

Juncker will sich aus aktuellen Untersuchungen heraushalten - Schäuble hält an Abgeltungsteuer fest

Luxemburger Steuerdeals heizen Streit in EU an

fed/wf Brüssel/Berlin – Die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente über Steuerbescheide von Unternehmen in Luxemburg hat die Debatte über Steuervermeidung in der EU neu befeuert. Ein Team investigativer Journalisten hat 28 000 Seiten geheimer Dokumente ausgewertet und entdeckt, dass mehrere Firmen erhebliche Summen an Steuerzahlungen gespart haben. Genannt werden US-Konzerne wie Pepsi oder Fedex, aber auch deutsche Firmen wie Eon oder Fresenius Medical Care.Die Publikation löste gestern in Brüssel ein Mediengewitter aus. Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna verteidigte die heimische Regierung gegen Vorwürfe, indem er unterstrich, dass sich sein Land aktiv an der OECD-Iniative “Beps” (Kampf gegen Gewinnverlagerungen und Steuerdumping) engagiere. Was die beanstandete Praxis der Steuervorbescheide, der umstrittenen “tax rulings”, angeht, hob Gramegna hervor, dass diese Vorgehensweise der Vorab-Bestätigung der absehbaren Steuerschuld generell weder gegen luxemburgisches noch europäisches Recht und auch nicht gegen internationale Gepflogenheiten verstoße.Seit einigen Monaten ermittelt die EU-Kommission gegen mehrere Länder, darunter Luxemburg, wegen des Verdachts unlauterer Staatsbeihilfen – und damit der Wettbewerbsverzerrung – durch zu großzügige steuerliche Behandlung. Irland ist wegen der geringen Besteuerung von Apple ins Blickfeld gerutscht, die Niederlande wegen der Behandlung von Starbucks und Luxemburg wegen des Umgangs sowohl mit Fiat Finance als auch Amazon.Gestern liefen abermals Spekulationen um, der neue EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker könne seine Macht nutzen, um die Ermittlungen gegen Luxemburg zu bremsen. Diesen Mutmaßungen trat der Sprecher der EU-Kommission entgegen. Er versicherte, dass sich “Juncker nicht einmischen wird”, sondern die fachlich zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager die Verfahren in voller Unabhängigkeit vorantreibe: “Vestager wird ihren Job tun – und niemand sagt ihr, was sie tun soll”.Deutschland geht unterdessen weiter voran auf dem Weg, Steuerhinterziehung zu unterbinden und Steuervermeidung zu erschweren. In einer Regierungserklärung im Bundestag wertete Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Abkommen zum automatischen Informationsaustausch von Steuerdaten als “wichtigen Schritt im Kampf gegen internationale Steuergestaltung”. Zahlreiche Staaten hatten sich Ende Oktober in Berlin darauf verpflichtet, von 2017 an Daten zu Steuerzwecken auszutauschen. Das Bankgeheimnis gegenüber den Steuerbehörden ist damit obsolet. Das Abkommen wird Schäuble zufolge auf europäischer Ebene über eine Amtshilferichtlinie umgesetzt werden. Besonders für Steuerpflichtige, die sehr hohe Beträge hinterzogen haben, wird es künftig viel teurer, straffrei davonzukommen. Zudem wird die Frist der Offenlegungspflicht auf zehn Jahre erweitert. Fortschritte auch bei FirmenForderungen nach Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge in Deutschland wies Schäuble zurück. Er rate dazu abzuwarten, bis der automatische Austausch greife. Vor allem die SPD dringt darauf, Kapitalerträge wieder zum Einkommensteuertarif zu belasten. Schäuble erneuerte dabei das Versprechen der schwarz-roten Koalition, keine Steuern zu erhöhen. Zugleich stellte er fest, dass es im Bundesrat keine Mehrheit für Steuersenkungen gebe. Dies gelte auch für eine mögliche Milderung der kalten Progression.Im Unternehmensbereich macht Schäuble ebenfalls Fortschritte im Kampf gegen Steuergestaltung aus. Lizenz- und Patenteinnahmen sollen nur noch steuerbegünstigt sein, wenn dahinter Forschung und Entwicklung im eigenen Land steht, sagte Schäuble. Dies ist Teil der “Beps”-Initiative der OECD. Nach nur drei Jahren gibt es mittlerweile eine Einigung über 7 von insgesamt 20 Punkten. Die EU Zinsrichtlinie etwa war über 15 Jahre verhandelt worden. Die sieben Standards wollen die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer bei ihrem G 20-Gipfel in Brisbane am 15./16. November unterzeichnen. Die Punkte werden laut Schäuble zunächst in europäisches, dann in deutsches Recht umgesetzt. Lizenzeinnahmen in grenzüberschreitenden Steuerkonstruktionen sollen künftig außerdem nur noch dann zum Abzug als Betriebsausgabe zugelassen sein, wenn auch der andere Staat die Abzugsfähigkeit vorsieht.