Machtkampf bestimmt Tory-Parteitag

Jeremy Hunt beschwört "Geist von Dünkirchen"

Machtkampf bestimmt Tory-Parteitag

hip London – Der Machtkampf zwischen Boris Johnson und Theresa May hat den Parteitag der britischen Konservativen in Birmingham bislang bestimmt. Der ehemalige Außenminister hatte die von May in den Brexit-Verhandlungen verfolgte Linie als “geistesgestört” und “grotesk” bezeichnet. Johnson lässt seinem Ärger über den Umgang der Regierung mit dem EU-Austritt in seinem ersten Zeitungsinterview seit seinem Rücktritt freien Lauf: “Anders als die Premierministerin habe ich dafür gekämpft”, sagte er der “Sunday Times”. “Ich glaube daran. Ich denke, dass es das Richtige für unser Land ist und dass das, was jetzt passiert, nicht das ist, was den Menschen 2016 versprochen wurde.”Sein Amtsnachfolger Jeremy Hunt nutzte ein Interview nach seinem Auftritt in Birmingham dazu, den “Geist von Dünkirchen” zu beschwören. Die EU fühle sich viel zu sicher, was die britische Kompromissbereitschaft angehe. Wenn Brüssel eine harte Linie verfolge, werde Großbritannien nicht aufgeben. “Am Ende weckt man dadurch den Geist von Dünkirchen und wir schlagen zurück.” Die nordfranzösische Stadt war der letzte Evakuierungshafen der British Expeditionary Force und wurde im Juni 1940 von der deutschen Wehrmacht eingenommen. “Es kommt der Punkt, an dem wir sagen: ,Wir sind nicht dazu bereit, uns herumschubsen zu lassen. Wenn ihr nicht ernsthaft an einem Deal interessiert seid, dann sind wir es auch nicht'”, sagte Hunt dem konservativen Blatt. Wenn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron denke, die Briten kämen in ein paar Jahren angekrochen, um wieder Mitglied der EU zu werden, sei das eine schwerwiegende Fehlinterpretation des britischen Charakters. Hunt verglich das Vorgehen der EU in seiner Rede auf dem Parteitag mit dem der Sowjetunion im Kalten Krieg. Er rief die Partei zugleich zur Einheit auf. Wer einen von May erzielten Deal ablehne, riskiere, dass es am Ende überhaupt nicht zum Austritt aus der Staatengemeinschaft komme.Umweltminister Michael Gove, der vor dem Referendum zu den prominentesten Brexit-Befürwortern gehörte, wiederholte seine Sicht, dass Großbritannien jetzt einen Deal machen und die Einzelheiten später neu verhandeln könne. Johnson und andere Brexiteers sehen das anders.Schatzkanzler Philip Hammond stellte sich Johnson demonstrativ entgegen. Die EU werde niemals einer Vereinbarung zustimmen, die zu einer harten Grenze in Nordirland führen könne. “Es geht nicht darum, die Kontrolle zurückzuerlangen, es geht um eine Fantasiewelt”, kritisierte er die Vorstellungen seines Rivalen, der sich für ein Freihandelsabkommen wie das zwischen der EU und Kanada einsetzt. Politik bestehe nicht aus schillernden Statements und großartigen Ankündigungen, sondern aus harter Arbeit. Hammond forderte Brüssel auf, auf die von May vorgelegten Kompromissvorschläge einzugehen.