Macron liefert May Munition für den Wahlkampf

Künftiger Präsident Frankreichs will Grenzkontrollen am Ärmelkanal neu verhandeln

Macron liefert May Munition für den Wahlkampf

Von Andreas Hippin, LondonEmmanuel Macron hat seine Stimme am Sonntag in Le Touquet abgegeben. In dem nordfranzösischen Badeort wurde im Februar 2003 ein Vertrag unterzeichnet, der Großbritannien ermöglicht, vorgezogene Einreisekontrollen auf französischem Territorium durchzuführen. Im Wahlkampf hatte der parteilose Populist, der sich gegen die extreme Rechte durchsetzte, dafür plädiert, das Abkommen neu zu verhandeln. Im vergangenen Jahr wollte er es noch aufkündigen. Sein Kalkül ist simpel: Im Norden Frankreichs ist das Abkommen unbeliebt, weil sich dort Einwanderungswillige aus aller Welt sammeln, die von den Briten abgewiesen wurden, aber unbedingt ins Vereinigte Königreich wollen. Es gilt als Zugeständnis an das Nachbarland, unter dessen Folgen man nicht weiter leiden will. Die britische Premierministerin Theresa May betont dagegen, der Vertrag liege im beiderseitigen Interesse. Für ihren Wahlkampf liefert Macrons Ansage wirkungsvolle Munition. Die Ängste der Briten vor unkontrollierter Zuwanderung spielten schon beim EU-Referendum eine wesentliche Rolle. May muss sich nicht einmal selbst die Hände schmutzig machen. Allein dass Macron das Thema aufgegriffen hat, genügt schon.Vor 14 Jahren waren die Grenzkontrollen noch nicht Chefsache. Tony Blair versuchte sein Gegenüber Jacques Chirac damals zur Beteiligung am Krieg im Irak zu bewegen. Der Vertrag wurde von seinem Innenminister David Blunkett und einem gewissen Nicolas Sarkozy ausgehandelt. Schon damals ging es nicht allein darum, das Reisen zwischen Frankreich und Großbritannien möglichst angenehm zu gestalten. Denn das Dschungelcamp von Calais hatte einen nicht weniger berüchtigten Vorläufer: Sangatte. Dort hatte die französische Regierung in einer leerstehenden Halle der Eurotunnelgesellschaft ein Durchgangslager eingerichtet, wo zeitweise 2 000 Menschen lebten, die meisten aus Afghanistan und dem Irak, aber auch aus dem Iran und afrikanischen Ländern. Man fühlte sich schon damals nicht für diese Leute zuständig und behandelte sie als Durchreisende, obwohl sie sich in einer Sackgasse befanden. Sollte Macron den Vertrag von Le Touquet wirklich kündigen, könnten die Briten einfach den Bahn- und Fährgesellschaften die Verantwortung für die Kontrolle der Papiere auferlegen. Die Hoffnung, irgendwie doch nach Großbritannien zu kommen, würde aber noch viel mehr Einwanderungswillige nach Frankreich führen. Deren Lager würden Calais noch in den Schatten stellen, auch was die Lebensbedingungen angeht. Es sei denn, Paris würde seiner Verantwortung für diese Menschen gerecht.