Man kennt und schätzt sich

Von Mark Schrörs, zzt. Washington Börsen-Zeitung, 10.10.2014 Der Vortragssaal der Denkfabrik Brookings in Washington platzt aus allen Nähten. Die rund 150 Sitzplätze sind ausnahmslos besetzt, hinter den eng gestellten Sitzreihen und an den Seiten...

Man kennt und schätzt sich

Von Mark Schrörs, zzt. WashingtonDer Vortragssaal der Denkfabrik Brookings in Washington platzt aus allen Nähten. Die rund 150 Sitzplätze sind ausnahmslos besetzt, hinter den eng gestellten Sitzreihen und an den Seiten tummeln sich zwischen Fernsehkameras Dutzende weitere Zuhörer. Aber kein Wunder: Mit EZB-Präsident Mario Draghi und dem Vizechef der US-Notenbank Fed, Stanley Fischer, haben sich zwei der mächtigsten Notenbanker dieser Tage angesagt – ein zumindest öffentlich seltenes Gipfeltreffen.”Die EZB und die Eurozone” lautet das Thema der Debatte am Rande der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank. Groß vorstellen muss Moderator David Wessel Draghi, der zum Auftakt eine Rede hält, natürlich nicht. Auch in den USA ist der EZB-Präsident bestens bekannt. Und so nutzt Wessel seine Einleitung primär für eine scherzhafte Bemerkung: “Hier wird viel darüber geredet, wie hart der Job von Janet Yellen ist”, sagt er mit Blick auf die US-Notenbankchefin, “aber Mario Draghis Job ist härter.”11,5 % Arbeitslosigkeit im Euroraum, eine Inflation von 0,3 %, eine laut IWF 40-prozentige Gefahr einer neuerlichen Rezession und ein Risiko von 30 % für eine Deflation – das sind die Zahlen, die Wessel auflistet, um ins Thema zu führen. Die meisten Zuhörer – darunter so mancher Ex-Notenbanker aus der Eurozone und den USA – wissen um die Probleme. Sie sind vor allem gekommen, um zu hören, wie es weitergeht.Draghi verteidigt die bisherige Strategie der Euro-Verantwortlichen: Konsolidierung und Reformkurs zeigten “erste Früchte”, bei Arbeitslosigkeit und Kreditvergabe gebe es Signale einer Stabilisierung. Aber Draghi selbst sieht die Eurozone aktuell durchaus – wieder – in einer kritischen Situation, und so widmet er den Großteil seiner 20-minütigen Rede dem, was jetzt zu tun ist.Vieles erinnert dabei an seine Rede in Jackson Hole im August, mit der er viel Aufsehen erregt und quasi im Alleingang die im September erfolgte weitere Lockerung der Geldpolitik eingeleitet hatte: Die Bankenunion müsse vollendet und das Bankensystem gestärkt werden; die EZB müsse die Inflation in Richtung der 2 % bekommen; die Fiskalpolitik müsse dort, wo es möglich sei, – ein Verweis vor allem Richtung Deutschland – ihren Beitrag leisten, um die Nachfrage anzukurbeln; und Reformen dürften nicht zurückgedreht, sondern müssten verstärkt werden.Draghi wirkt gelöst, er scherzt und lacht. Das dürfte zum einen daran liegen, dass mit Fischer ein langjähriger Weggefährte auf dem Podium sitzt. In den siebziger Jahren war Fischer Draghis Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Man kennt und schätzt sich. Fischer findet denn auch so manches lobende Wort für Draghi und die Eurozone. Vielleicht spielt aber auch eine Rolle, dass Draghi für seinen Kurs in den USA generell mehr Zuspruch erhält als vor allem in Deutschland.Kurz vor der IWF-Tagung hat Bundesbankchef Jens Weidmann die jüngsten Beschlüsse vor allem zum Kauf von Kreditverbriefungen (ABS) in einem Interview noch einmal scharf attackiert. So mancher sieht das als eine “Kampfansage”. Der Obmann der Unionsfraktion im Bundestagsfinanzausschuss, Hans Michelbach, hat Draghi gar als “Fehlbesetzung” bezeichnet. Und unmittelbar vor der Debatte bei Brookings läuft über die Ticker das miese Zeugnis, das die deutschen Forschungsinstitute der EZB im Herbstgutachten ausstellen: Die jüngsten Schritte seien wohl nicht effektiv und gefährlich.Draghi weist all das zurück: Bei Brookings betont er, dass die EZB alles tun werde, die “exzessiv niedrige Inflation” anzuheben. Wenn der Leitzins bei quasi 0 % liege, bleibe nur, die EZB-Bilanz als Instrument zu nutzen. Er zeigt sich überzeugt vom Erfolg – bis 2016 oder 2017 sollte die Teuerung Richtung 2 % steigen. Zugleich sei die EZB aber bereit, noch mehr zu tun. Bereits Anfang 2015 erwartet er ein Anziehen der Kreditvergabe. Draghi hält zudem die Sorgen in Deutschland über die Risiken der ABS-Käufe für völlig übertrieben.Ein spannendes Thema allerdings wird bei der Debatte bei Brookings leider ausgespart: Euro-Dollar. Die EZB zielt mit ihren Beschlüssen vor allem auch darauf, den Wechselkurs zu schwächen. Zum US-Dollar hat der Euro seit Mai von fast 1,40 Dollar auf rund 1,27 Dollar abgewertet. Dieser Höhenflug des Greenback sorgt inzwischen die Fed, wie das jüngste Sitzungsprotokoll gezeigt hatte. Das Thema aber bespricht man wohl lieber hinter verschlossenen Türen, ohne so viele Zuhörer. ——–Ein seltenes Gipfeltreffen: EZB-Präsident Draghi diskutiert in Washington mit Fed-Vize Fischer.——-