GASTBEITRAG

Mangelnder Schuldenabbau belastet die Weltwirtschaft

Börsen-Zeitung, 19.12.2014 Ist die Weltwirtschaft süchtig nach Krediten? Mit Blick auf die Entwicklung in den vergangenen 25 Jahren kann man sich dieses Eindrucks kaum erwehren: Das Platzen der japanischen Kreditblase nach 1990, kurz darauf die...

Mangelnder Schuldenabbau belastet die Weltwirtschaft

Ist die Weltwirtschaft süchtig nach Krediten? Mit Blick auf die Entwicklung in den vergangenen 25 Jahren kann man sich dieses Eindrucks kaum erwehren: Das Platzen der japanischen Kreditblase nach 1990, kurz darauf die Asienkrise 1997. Zehn Jahre später folgte die globale Finanzkrise, die vor allem die USA und Europa traf. China ist weiter damit beschäftigt, Schulden abzubauen, die es zum Ausgleich der durch die Krise 2007/2008 verursachten Exportverluste aufgenommen hat. Die globale Wirtschaft scheint ohne einen ausufernden Kreditboom irgendwo auf der Welt nicht in der Lage zu sein, ausreichend Wachstum und Nachfrage für das verfügbare Angebot zu erzeugen. Lässt man zu, dass Kredite sich wie Wasser aufstauen, wird der Damm irgendwann brechen.Seit der globalen Finanzkrise ist vom Schuldenabbau die Rede und die allmähliche Rückzahlung aufgelaufener Schulden das erklärte Ziel. So wird es zwar wahrgenommen, der Wirklichkeit entspricht dies jedoch nicht, ganz im Gegenteil: Die globale private und öffentliche Verschuldung ist zwischen 2001 und 2009 von 160 % auf fast 200 % des Volkseinkommens angestiegen und liegt inzwischen bei 215 %. Bis 2008 lagen die entwickelten Länder bei diesem Trend an der Spitze, seither haben die Schwellenländer die Führung übernommen. Allerdings hat sich auch in der Gruppe der Industrienationen die Schuldenlast eher verschoben, als dass sie abgebaut wurde. Schulden steigen rasantSo hat zum Beispiel in den USA und in Deutschland der Finanzsektor Schulden abgebaut, ebenso wie die privaten Haushalte, wenn auch in geringerem Umfang. Die öffentliche Verschuldung ist allerdings gemessen am Volkseinkommen rasant gestiegen. Anstatt also den Kreditpegel zu senken, wurden die Schulden einfach umgeleitet und stauen sich nun an anderer Stelle. Dies kann sicher sinnvoll sein, wenn die staatlichen Haushalte robuster sind als die privaten und sich so verhindern lässt, dass eine Rezession zur Depression wird. Angesichts der Schäden, die Kreditzyklen verursachen können, ist der mangelnde Schuldenabbau weltweit jedoch beunruhigend. Die Finanzkrise 2007/2008 hat etwa Beispiel nicht nur zu einem Einbruch der Wirtschaftsleistung geführt, sondern auch zu einem möglicherweise dauerhaften Rückgang des Wachstums in der Eurozone. Das könnte sogar in den USA und im Vereinigten Königreich der Fall sein.Ein permanenter Verlust künftigen Wachstums hat viele Gründe. Es könnte bedeuten, dass der Trend vor der Krise nicht nachhaltig war und dass nachlassende Investitionen und Innovationen, die bekanntlich häufig mit tiefen Rezessionen einhergehen, das Wachstumspotenzial geschmälert haben. Ein weiterer wichtiger Rückschluss wäre, dass Schuldenüberhänge das Wachstum belasten, weil die politische Unsicherheit und Steuerlasten steigen. Dies könnte in einen Teufelskreis steigender Schulden und fallenden Wachstums münden. Tatsächlich warnte der jüngste Genfer Bericht über die Weltwirtschaft vor einer von “nachlassendem realen Wachstum und rückläufiger Inflation getriebenen, giftigen Kombination aus hoher und steigender globaler Verschuldung und nachlassendem nominalen Bruttoinlandsprodukt”. Koordiniert vorgehenDer mangelnde Schuldenabbau hat Folgen für die Weltwirtschaft. In den kommenden Jahren werden Politiker noch alle Hände voll zu tun haben, um die Risiken künftiger Krisen etwa mittels makroprudenzieller Maßnahmen und der Rekapitalisierung des Finanzsektors zu minimieren. Außerdem werden die chronischen Effekte hoher Verschuldung die Weltwirtschaft wohl auch weiterhin belasten und die Erholung wird eher langsam vonstattengehen.Die globale Verschuldung ist per se ein Problem, das nur durch koordiniertes Vorgehen der internationalen Politik in den Griff zu bekommen ist. Diese ist gefordert, Kredite so zu kanalisieren, dass sie sich nicht anstauen, bis die Dämme brechen. Dies ist keine leichte Aufgabe, denn die Kreditvergabe ist nur schwer kontrollierbar. Aber es ist eine Aufgabe, die angegangen werden muss.—-Lucy O’Carroll, Chefvolkswirtin Investment Solutions bei Aberdeen Asset Management