Markt und Wirtschaft
In diesen Tagen kehren wieder Zehntausende Bundesbürger aus ihrem Urlaub in Frankreich zurück und fallen in die übliche Nachurlaubsdepression. Sehnsuchtsvoll erinnert man sich sonniger Strände, romantischer Schlösser – und vor allem der Supermärkte, die ihren Vornamen (Super) zweifelsohne verdienen. Eigene empirische, wenngleich unrepräsentative Untersuchungen zeigen, dass mancher Germane schon kurz nach der Grenze unruhig wird und einen dieser fußballfeldgroßen Konsumtempel ansteuert, um mit dem Einkaufswagen erst einmal einige Stunden zwischen Ständen mit frischem Fisch oder bunten Torten herumzubummeln. Weniger bekannt ist, dass Belgien in Sachen Supermärkte den Franzosen in nichts nachsteht. In den Carrefours, GBs oder Delhaizes zwischen Lüttich und Ostende kann man problemlos sein Wandersportabzeichen ablegen. Und wem das noch nicht reicht, der findet im Herzen Brüssels “Rob” – einen Delikatessenladen, der mehr Probierstände aufbietet als die Grüne Woche. *Als wäre das noch nicht genug, hat Brüssel auch jede Menge faszinierender Märkte unter freiem Himmel zu bieten. Legendär ist der sonntägliche Trubel rund um den Südbahnhof. Dort duftet es an so einigen Ecken intensiver nach Minze als in einer marokkanischen Teestube. Und man hat das Gefühl, dass hier alle Oliven feilgeboten werden, die Griechenland jemals bei der EU gemeldet hat, um Subventionen einzustreichen. Wer auch hier noch einen zusätzlichen Kick sucht, sollte einige Blocks weiterziehen zu den Schlachthöfen von Anderlecht. Eigentlich ist es falsch, die Verkaufsveranstaltung, die sich hier abspielt, noch als Markt zu bezeichnen. Passender wäre Souk oder Bazar. Denn in den “Abattoires” kann man auch lebende Singvögel oder andere Kleintiere kaufen – ebenso wie eine Menge Markenprodukte, die wohl irgendwo vom Laster gefallen sein müssen.An der ausreichenden Nachfrage nach Speisen und Getränken herrscht kein Mangel. Spätestens seit “Asterix bei den Belgiern” ist schriftlich hinterlegt, dass Flamen und Wallonen gut und gerne essen. “ça est frugal!?!”, lautet der verwunderte Aufschrei von Asterix, als ihn die Gastgeber zu einer vermeintlich kargen Mahlzeit einladen – und er an einen Tisch gebeten wird, dessen Platte sich unter gebratenem Wildschwein biegt. *Grundsätzlich hat sich daran bis heute wenig geändert. Dass im Bel 20, dem hiesigen Dax, gleich drei Schwergewichte mit Essen und Getränken ihr Geld verdienen (Anheuser Busch Inbev, Colruyt, Delhaize), ist kein Zufall. Belgier, das hat Eurostat gemessen, geben deutlich mehr ihres verfügbaren Einkommens für Essen aus als Otto Normaleuropäer – und erst recht als der deutsche Michel. Die Nachfrage wiederum beflügelt die Preise. Außer in Skandinavien, wo man sich bekanntermaßen schon mit einem Hot Dog für die Familie finanziell ruiniert, und im großbürgerlichen Luxemburg sind nirgendwo in der EU die Lebensmittelpreise vergleichbar hoch wie in Belgien.Das mag freilich ein Grund dafür sein, warum die Menschen in diesem Land gerne Gerichte essen, die dann aber auch wirklich satt machen. Nix Nouvelle Cuisine – und schon gar nicht dekorative Gemüse oder handverlesenes Carpaccio. Beliebt ist vielmehr Biergulasch mit Kartoffelpüree – oder mittags für zwischendurch eine “Maschinenpistole”, eine Mitraillette”: Pommes im Baguette – mit kleinen scharfen Würsten und mächtig viel Sauce. Nicht zu empfehlen, wenn man ein weißes Hemd anhat. Zu den ungewöhnlichen Kombinationen zählt auch der populäre Reiskuchen, der vorzugsweise zusammen mit hellem Bier eingenommen wird.Kurzum: Für diejenigen, die nicht aufs Gewicht achten müssen, ist Belgien ein Paradies – nicht zuletzt weil Pralinen nicht wie in Deutschland als halbes Dutzend in einer pizzakartongroßen Verpackung angeboten werden, sondern solide und effizient gestapelt in der großzügigen 1,5-Kilogramm-Box. Belgier sind eben überzeugte Marktwirtschaftler. Sie verstehen sich auf das gute Leben – auf dem Markt ebenso wie in der Wirtschaft nebenan.