Marktliebling Irland fällt durch

Konjunkturbereinigung des Defizits verdeutlicht die mäßige Wirksamkeit der Dubliner Konsolidierungspolitik

Marktliebling Irland fällt durch

Die Rezession verstellt den Blick auf die bisher erreichten Konsolidierungserfolge in den Euro-Krisenstaaten. Zudem verdeckt die Eurokrisen-Debatte die teilweise dramatische Budgetlage in Japan, den USA und Großbritannien.Von Stephan Lorz, FrankfurtDie düsteren Nachrichten aus der Eurozone scheinen kein Ende zu nehmen: Immer mehr Länder stecken in der Rezession fest, selbst Deutschland, das bisherige konjunkturelle Zugpferd, macht inzwischen schlapp. Auch bei der Budgetkonsolidierung scheint es keine Fortschritte zu geben – im Gegenteil: Die Regionalregierungen in Spanien und Italien müssen immer neue Milliardenlöcher einräumen und verhageln damit ihrer Zentrale die Finanzplanung. Und Griechenland? Athen hat zwar neue Sparrunden angekündigt, es mangelt aber an der Umsetzung. Ohne neue Finanzhilfen in den nächsten Tagen geht obendrein das Licht aus rund um die Akropolis. Kein Wunder, dass die Zinsen für Staatspapiere der Krisenstaaten auf Rekordhöhen verharren und neue Gerüchte über eine Aufspaltung der Eurozone die Runde machen.Viele Finanzmarktteilnehmer sorgen dabei selbst für den nötigen Stoff, um das Informationskarussell für ihre Anlageentscheidungen am Laufen zu halten, hecken neue Szenarien aus, die sie dann der Öffentlichkeit präsentieren. Zuletzt hatte die Ratingagentur Moody’s – neben ihren ohnehin schon marktbewegenden Bonitätsentscheidungen – eine neue Informationsfacette hinzugefügt. In einer Studie hat sie dargelegt, dass Staaten, die bereits eine Gläubigerbeteiligung durchgezogen haben, in der Regel noch einen zweiten Schuldenschnitt benötigen, um auf einen stabilen Haushaltskurs zu gelangen. Bei 30 Umschuldungen seit 1997 habe es bei mehr als einem Drittel noch einen weiteren Ausfall in der Folgezeit gegeben, heißt es. Die Verluste für Investoren hätten sich im Schnitt bei 47 % bewegt. Neues Material für Spekulationen über das weitere Schicksal der noch verbliebenen Griechenland-Gläubiger. Neue Äußerungen deutscher Politiker, Athen endlich aus dem Euro zu stoßen, passten in das vorgestanzte Muster der Argumente.Tatsächlich ist die Datenlage in den Krisenstaaten derzeit noch alles andere als rosig – und sind die eher düsteren Szenarien daher durchaus plausibel, was ihnen zusätzliche Wucht an den Märkten verleiht. Die Volkswirte der Commerzbank veröffentlichen regelmäßig einen “Schuldenmonitor”, in dem sie die Haushaltsziele mit dem bisher erreichten Stand der Konsolidierung vergleichen. Ergebnis: Nur Irland liegt im Plan, Griechenland hinkt etwas hinterher und alle anderen – Portugal und Italien, vor allem aber Spanien – sind weit vom Kurs abgekommen.Grund dafür dürfte vor allem die Rezession sein, welche die Steuereinnahmen trotz immer höher geschraubter Steuersätze sinken lässt, während die Staatsausgaben wegen der gestiegenen Arbeitslosigkeit geradezu ausufern. Die Regierung kommt mit dem Sparen gar nicht nach. Ökonomen warnen denn auch vor dem “Hinterhersparen”, weil damit die Rezession eher noch verschärft wird, was die so bitter nötige Erholung weiter verzögere.Allerdings verdeckt die schlechte Konjunkturlage die durchaus vorhandenen Erfolge der Konsolidierungspolitik in der Eurozone. Darauf lassen die neuen Defizitprognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) schließen. Der Fonds hat die Prognosen der Staatshaushalte für das laufende Jahr statistisch von konjunkturellen Einflüssen bereinigt. Das bringt die Wirksamkeit der Finanzpolitik besser zum Ausdruck. Danach ist das öffentliche Defizit im Euroraum heute immerhin um ein Drittel niedriger als zu Krisenbeginn 2008. Eine ganze Reihe von Ländern sind unter bzw. nahe der magischen 3-Prozent-Grenze (s. Tabelle). Einen solchen Turnaround, so der Chefvolkswirt des Vermögensverwalters Assenagon, Martin W. Hüfner, habe “in so kurzer Zeit bisher kein Industrieland je geschafft”.Auch in dieser Hinsicht nicht gut bestellt ist es allerdings um Spanien. Und auch Irland steht in der konjunkturbereinigten Betrachtung nicht so gut da wie in den traditionellen Betrachtungen. Hüfner: “Das Land wird zwar an den Märkten als Staat mit großen Konsolidierungserfolgen gefeiert. Konjunkturbereinigt liegt sein Defizit 2012 aber immer noch bei 6 %. Im nächsten Jahr soll es gerade mal auf 5,6 % fallen.” Und noch drei Länder, deren Schicksal bisher von der Eurokrise verdeckt wird und denen die Märkte bislang eher wenig Aufmerksamkeit schenken, haben dramatische Daten vorzuweisen: Japan, die USA und Großbritannien. Sie stehen erst am Beginn der Konsolidierungsrunde.Demgegenüber haben die Staaten der Eurozone zumindest schon die richtige Richtung eingeschlagen. Denn auch auf dem Gebiet der Wettbewerbsfähigkeit holen die Eurokrisen-Länder inzwischen auf. Die Lohnstückkosten sinken auf breiter Front, wie jüngst das US-Beratungsunternehmen Conference Board durchaus anerkennend feststellte.