Mattarella fordert Mäßigung im Streit mit Paris

Italiens Staatspräsident interveniert - Wirtschaft fürchtet negative Konsequenzen

Mattarella fordert Mäßigung im Streit mit Paris

bl Mailand – Nachdem Frankreich seinen Botschafter aus Rom zurückgerufen hat, bemühen sich Staatspräsident Sergio Mattarella und die Wirtschaft des Landes um eine Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern. Mattarella forderte Premierminister Giuseppe Conte auf, sich mit der französischen Regierung in Verbindung zu setzen, und sprach sich für eine Mäßigung der Tonlage aus. Angesichts der zunehmenden Eintrübung der Konjunktur – das Statistikamt Istat vermeldete für 2018 einen Rückgang der Industrieproduktion um 5,5 % – fürchtet die Wirtschaft negative Auswirkungen des Streits. Als erstes Signal wird in Rom der Rückzug von Air France von den Bemühungen um eine Übernahme der Fluggesellschaft Alitalia gewertet. Die Franzosen galten neben Delta als Favoriten für den Erwerb eines größeren Anteils an der Airline.Der Rückruf des französischen Botschafters wird in Italien sehr ausführlich debattiert. Zuletzt hatte Frankreich seinen Botschafter 1940 aus Rom zurückgerufen, nachdem das faschistische Italien dem Nachbarland den Krieg erklärt hatte. Frankreich fühlt sich von Italien provoziert, hat aber teilweise selbst zum Anheizen des Konflikts beigetragen. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte aus Pariser Sicht Vizepremier und 5-Stelle-Chef Luigi Di Maio. Er traf sich in Frankreich mit Vertretern der oppositionellen Gelbwesten-Bewegung und bekundete dieser seine Unterstützung. Die “Gilets Jaunes” demonstrieren seit Monaten gegen die Regierung in Paris, wobei es immer wieder zu schweren Ausschreitungen kommt. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron kam den Gelbwesten mit zahlreichen Zugeständnissen entgegen.Die 5 Stelle sind in Umfragen deutlich gegenüber dem Koalitionspartner Lega zurückgefallen und versuchen, durch das Anheizen des Konflikts Punkte zu machen. Sie kritisieren eine kolonialistische Politik Frankreichs in Afrika und die wirtschaftliche Ausbeutung ehemaliger Kolonien. Das sei ursächlich für die Flüchtlingsbewegung. Auch dass Frankreich federführend im Krieg gegen Libyen war, wirft Di Maio der Regierung in Paris vor. Damit sei Libyen destabilisiert und zum Ausgangsort für Flüchtlingsboote nach Italien geworden. Gegenüber der Zeitung “Le Monde” bemühte sich nun aber auch Di Maio um Mäßigung und bezeichnete Frankreich als wichtigen Bezugspunkt für Italien.Selbst Lega-Chef Matteo Salvini, der Macron wiederholt Verlogenheit vorwarf, weil er französische Häfen nicht für Flüchtlingsboote öffnet, Rom aber auffordert, die Schiffe in Italien einlaufen zu lassen, gibt sich gesprächsbereit. Er wollte Macron treffen, was dieser ablehnt. Innenminister Salvini will nun seinen französischen Amtskollegen Christophe Castaner treffen. Er fordert aber, dass Frankreich seine Grenzen zu Italien für Migranten öffnet und 15 italienische Terroristen, die in Frankreich Zuflucht fanden, ausliefert.Die Kritik an Frankreich findet in Teilen der italienischen Bevölkerung, die Frankreich Arroganz vorwerfen, Widerhall. Dies umso mehr, als französische Unternehmen in großem Umfang italienische Unternehmen aufgekauft haben (Gucci, Bottega Veneta, Bulgari, Edison, die Banca Nazionale del Lavoro, einige Volksbanken, Galbani, Parmalat), umgekehrt aber italienische Aufkäufe, wie jüngst im Fall der geplanten Übernahme der französischen Chantiers de l’Atlantique, blockiert werden. Auch beim italienischen Telekomunternehmen TIM gibt es seit Monaten Streit mit dem französischen Großaktionär Vivendi.Italiens Industrieverband Confindustria findet, dass Rom “eine Grenze überschritten hat”. Das Verhalten der Regierungsparteien schade Italien, vor allem der Wirtschaft, sagte Confindustria-Chef Vincenzo Boccia. Er sprach den wegen des Widerstands der 5 Stelle blockierten Bau der Bahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Turin und Lyon an, aber auch die engen Wirtschaftsbeziehungen. Frankreich ist für Italien der zweitwichtigste Wirtschaftspartner. Italien exportiert Waren im Umfang von 43 Mrd. Euro ins Nachbarland und importiert umgekehrt Waren für 36,2 Mrd. Euro. Confindustria will sich Ende des Monats mit dem französischen Arbeitgeberverband Medef treffen.