BREXIT

May erkauft sich Gnadenfrist

Britische Premierministerin sagt Abstimmung über Verschiebung des EU-Austrittstermins zu

May erkauft sich Gnadenfrist

Theresa May hat dem Unterhaus eine Abstimmung über eine Verschiebung des EU-Austrittstermins versprochen. Allerdings soll sie erst nach dem “aussagekräftigen Votum” zu ihrem Deal stattfinden. Yvette Cooper und Oliver Letwin verzichteten daraufhin auf einen weiteren Showdown im Parlament. hip London – Die britische Premierministerin Theresa May hat eine Forderung ihrer proeuropäischen Gegner im Unterhaus erfüllt. Sie stimmte einer Abstimmung über eine Verschiebung des Austrittstermins zu. Die Labour-Politikerin Yvette Cooper und der konservative Hinterbänkler Oliver Letwin wollten dies ursprünglich heute mit einem Antrag im Parlament erzwingen. Offenbar war man in 10 Downing Street der Ansicht, dass man die Abstimmung darüber verlieren würde. Dann hätte das Parlament der Regierung die Kontrolle über den Austrittsprozess entrissen. Zudem hatten proeuropäische Kabinettsmitglieder wie Wirtschaftsminister Greg Clark, Justizminister David Gauke und Arbeits- und Rentenministerin Amber Rudd mit Rücktritt gedroht. “Wesentliches Zugeständnis”Der konservative Hinterbänkler Nick Boles, der vor zwei Monaten einen ähnlichen Antrag mit Cooper eingebracht hatte, sprach von einem “wesentlichen Zugeständnis” der Regierungschefin, das den Forderungen des Antrags genau entspreche. Letwin wertete Mays Ankündigung als “sehr gute Nachricht”. Es gebe nun keine Notwendigkeit mehr für den Gesetzesvorschlag. Cooper will dagegen nicht auf den ursprünglich heute erwarteten Showdown im Parlament verzichten. Sie kündigte an, einen Antrag einzubringen, um sicherzustellen, dass May keinen Rückzieher macht.Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon fand dagegen klare Worte für Mays Vorgehen. Es handele sich um nichts weiter als zynische Manöver, durch die Abgeordnete dazu gebracht werden sollen, ihren Deal zu akzeptieren. “Niemand sollte darauf hereinfallen”, schrieb sie auf Twitter. May handele weiterhin nicht im besten Interesse des Vereinigten Königreichs oder irgendeines Teils davon.Bislang hielt die Premierministerin eisern am 29. März als Austrittstermin fest. Nun sollen binnen 48 Stunden nach dem “aussagekräftigen Votum” über den in ihrem Namen von der Verwaltung mit Brüssel ausgehandelten EU-Austrittsvertrag weitere Abstimmungen stattfinden, vorausgesetzt das Parlament lehnt Mays Deal ab. Zuerst würde dann darüber befunden, ob Großbritannien die EU ohne jede Übereinkunft verlassen soll. Falls sich die Abgeordneten mehrheitlich dagegen aussprechen sollten, würde darüber entschieden, ob die Regierung damit beauftragt werden soll, eine Verschiebung des Austrittstermins zu erwirken. Im Januar hatte das britische Unterhaus den EU-Austrittsvertrag mit großer Mehrheit abgelehnt. Nach achttägiger Debatte stimmten 432 Abgeordnete gegen den Deal, 202 dafür. Nachdem sich Brüssel bislang strikt geweigert hat, über Änderungen an dem rechtsverbindlichen Dokument zu verhandeln, ist wenig wahrscheinlich, dass sich im März eine Mehrheit dafür findet.Die Aussagen von Labour-Chef Jeremy Corbyn zu einem weiteren EU-Referendum fanden ein geteiltes Echo. Für den Abgeordneten David Lammy, der die Kampagne “People’s Vote” unterstützt, hat Labour damit begonnen, “das Land wieder zusammenzuführen”. Ein Referendum sei nun “unvermeidlich”. Einige seiner Fraktionskollegen forderten aber bereits, bei der Abstimmung über einen Antrag zu einem erneuten Referendum den Fraktionszwang aufzuheben. Zwar ist die Mehrheit der Mitglieder gegen den Brexit, aber in vielen Wahlkreisen, in denen Labour gerne gewinnen würde, hat die Mehrheit der Wahlberechtigten für den EU-Austritt gestimmt. “Wir können nicht Millionen von Labour-Leave-Wählern ignorieren”, twitterte die Unterhausabgeordnete Caroline Flint. Emily Thornberry, die im Falle eines Wahlsiegs der Opposition das Amt des Außenministers übernehmen würde, verschärfte die innerparteiliche Debatte noch durch die Aussage, dass bei einer weiteren Volksabstimmung auch “Remain” als Option auf dem Stimmzettel stehen müsse. Die Abgeordnete Lisa Nandy konterte in einem Gastbeitrag für den “Guardian”, dass es undemokratisch sei, No Deal nicht zur Abstimmung zu stellen. Corbyn hatte lediglich gesagt, per Referendum einen “schädlichen Tory-Brexit” verhindern zu wollen.