May gibt sich kompromissbereit

Mitspracherecht der Abgeordneten vor Anwendung der "Notlösung" für Nordirland möglich

May gibt sich kompromissbereit

Der EU-Gerichtshof wird am Montag entscheiden, ob Großbritannien den Brexit einseitig für nichtig erklären kann. Premierministerin Theresa May bemüht sich derweil, ihre parteiinternen Gegner zu besänftigen, um den EU-Austrittsvertrag am Dienstag durchs Parlament zu bringen.fed/hip Frankfurt/London – Die britische Premierministerin Theresa May hat vor der Abstimmung über den EU-Austrittsvertrag im Unterhaus den Eindruck erweckt, dass es ein Mitspracherecht der Abgeordneten geben könne, sollte der sogenannte Backstop zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um die “Notlösung”, die eine “harte” Grenze durch Irland für den Fall verhindern soll, dass sich beide Seiten während der Übergangsphase auf keine bessere Lösung einigen sollten. “Wenn wir an den Punkt kommen, dass er benötigt wird, werden wir die Wahl haben, was wir tun, damit der Backstop zu diesem Zeitpunkt nicht angewendet werden muss”, sagte die Premierministerin, die derzeit über keine Mehrheit für den Kompromiss mit Brüssel verfügt. “Wenn wir an diesen Punkt kommen, wird es eine Wahl zwischen der Anwendung des Backstop und der Verlängerung der Übergangsphase geben.” Es sei in Großbritannien Sache des Parlaments, solche Entscheidungen zu treffen. Offenbar hofft man in der Downing Street, auf diese Weise den Widerstand in den eigenen Reihen gegen den Austrittsvertrag aufzuweichen.Schatzkanzler Philip Hammond warnte im Unterhaus davor, das Paket noch einmal aufschnüren zu wollen. “Die Idee, dass es die Möglichkeit gäbe, in letzter Minute neu zu verhandeln, ist eine Illusion”, sagte Hammond. “Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein: Die Alternativen zu diesem Deal sind kein Deal oder kein Brexit.” Der ehemalige Generalstaatsanwalt Dominic Grieve hatte am Vortag eine Mehrheit für seinen Vorschlag bekommen, dem Parlament das Recht einzuräumen, der Regierung die Richtung vorzugeben, sollte Mays Austrittsvertrag niedergestimmt werden. EuGH-Urteil am MontagDer EU-Gerichtshof hat angekündigt, bereits am kommenden Montag – und damit auf jeden Fall noch vor der Abstimmung im britischen Unterhaus – darüber zu urteilen, ob Großbritannien einseitig und ohne Zustimmung der 27 EU-Partner wieder von seiner Absicht zurücktreten kann, die EU zu verlassen. Der EU-Generalanwalt hatte vor wenigen Tagen in seinen Schlussanträgen dafür plädiert, dass die Briten den Brexit eigenständig absagen können, solange sie nicht einen Austrittsvertrag unterschrieben haben. Wenn ein Mitgliedstaat, der beschlossen habe, aus der Union auszutreten, seine Meinung ändere und Mitglied bleiben wolle, dürfe er nicht daran gehindert werden, argumentiert der Generalanwalt. In der überwiegenden Zahl der Fälle folgt das Gericht der Linie des Generalanwalts.Es ist ungewöhnlich, dass sich erstens der Generalanwalt so schnell nach der mündlichen Verhandlung eine Meinung bildet und dass zweitens das Urteil des Gerichts bereits einige Tage später folgt. Gemeinhin liegen zwei bis drei Monate Zeit dazwischen. Das zeigt, wie sehr den Richtern daran gelegen ist, den Rechtsrahmen zu klären, bevor die britischen Parlamentarier entscheiden.Die Großbanken in London, New York und Singapur bereiten sich unterdessen auf einen turbulenten Handelstag vor. Mit der Abstimmung im Unterhaus wird erst für den frühen Mittwochmorgen gerechnet. Die Handelsräume werden stärker besetzt sein als sonst. Auch Analysten werden die Nacht über bereitstehen. “Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, den Kunden dabei zu helfen, durch jegliche Volatilität an den Märkten zu steuern, wenn das Abstimmungsergebnis verkündet wird”, sagte Filippo Zorzoli, Head of Macro Distribution für Europa, Nahost und Afrika sowie den Asien-Pazifik-Raum bei Barclays.Eine Niederlage Mays gilt vielen am Markt als eingepreist. Sollte es allerdings zu einer dramatischen Schlappe für die Premierministerin kommen, könnte es wegen der daraus resultierenden Unsicherheit über das weitere Geschehen zu Verwerfungen an den Finanzmärkten kommen. Denn dann lägen die 48 schriftlichen Misstrauenserklärungen von Abgeordneten, derer es für ein internes Misstrauensvotum gegen die Parteivorsitzende bedarf, schnell auf dem Tisch.