May spielt immer noch auf Zeit

Heute keine Abstimmung über ihren Deal - EU treibt Notfallplanungen für einen No-Deal-Brexit voran

May spielt immer noch auf Zeit

Die britische Premierministerin Theresa May spielt weiter auf Zeit. Sie will den mit Brüssel ausgehandelten Austrittsvertrag heute nicht zur Abstimmung stellen, weil sich keine Mehrheit abzeichnet. Labour-Chef Jeremy Corbyn nannte ihre Verhandlungsführung eine “nationale Peinlichkeit”.hip/aheLondon/Brüssel – Die britische Premierministerin Theresa May wird ihren Brexit-Deal heute nicht zur Abstimmung stellen, weil sich keine Chance auf Erfolg abzeichnet. Es gebe “immer noch nicht genug Unterstützung” dafür, sagte sie vor dem Unterhaus, aber sie hoffe, dass es im weiteren Wochenverlauf zu einem Votum kommen werde. Zudem tat sie gestern ihre “Frustration über unser kollektives Versagen, eine Entscheidung zu treffen” kund. Dabei hatten die Abgeordneten den von der Verwaltung mit Brüssel ausgehandelten Austrittsvertrag bereits zwei Mal niedergestimmt. Änderungen an diesem Dokument seien “einfach keine Option”, sagte May. Die nordirischen Unionisten wollen May in dieser Frage offenbar nicht als Mehrheitsbeschaffer dienen. Ein Telefonat mit Arlene Foster, der Chefin der Democratic Unionist Party (DUP), ohne deren Mandate May nicht regieren kann, war offenbar unbefriedigend verlaufen. DUP-Fraktionschef Nigel Dodd warf der Regierung einen “grundlegenden Mangel an Vorbereitung” vor. Nachdem sie lange Zeit gewusst habe, dass der Austritt zum 29. März vollzogen werden soll, habe sie dennoch eine Verlängerung in Anspruch nehmen müssen. Der Brexiteer Crispin Blunt (Tories) sagte, No Deal vom Tisch zu nehmen, sei die “schändlichste Preisgabe seit Singapur 1942” gewesen. “Nationale Peinlichkeit”Oppositionsführer Jeremy Corbyn (Labour) nannte die Herangehensweise der Regierung eine “nationale Peinlichkeit”. Peter Kyle (Labour) warf May vor, Zeit zu verschwenden und Spielchen zu spielen. Die Abgeordneten hätten sie weder gezwungen, Artikel 50 in Anspruch zu nehmen, noch rote Linien für den Brexit festzulegen, für die es im Parlament keine Mehrheit gebe.Für den späten Abend war ein Votum über “indikative” Abstimmungen angesetzt, die der Regierung den Weg weisen sollen. Der Antrag von Oliver Letwin (Tories) würde Mays Gegnern am Mittwoch die Kontrolle über die Tagesordnung des Unterhauses verschaffen. Allerdings handelt es sich bei solchen Voten um unverbindliche Willensbekundungen der Parlamentarier, selbst wenn sich für einen Vorschlag eine Mehrheit finden sollte.Die EU-Kommission unternahm zum Wochenauftakt unterdessen weitere Schritte zur Vorbereitung auf einen harten Brexit. Die Brüsseler Behörde erklärte zur Begründung, es werde “immer wahrscheinlicher”, dass das Vereinigte Königreich am 12. April ohne Abkommen aus der Europäischen Union austrete. Die Kommission verwies noch einmal ganz ausdrücklich darauf, dass es dann auch einen Übergangszeitraum, wie er im Austrittsabkommen vorgesehen sei, nicht geben werde. Von den 19 Gesetzesvorschlägen, die die Folgen eines No-Deal-Szenarios noch abfedern sollen, sind 17 mittlerweile vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten gebilligt. Die förmliche Annahme dieser Dossiers ist derzeit im Gange. Die noch offenen zwei Vorschläge würden von den gesetzgebenden Organen “zu gegebener Zeit fertiggestellt”, hieß es.Nach Angaben von EU-Beamten wurden bereits 20 neue Grenzkontrollpunkte für Warentransporte aus Großbritannien eingerichtet und Tausende Zöllner eingestellt. Vor allem die großen Firmen seien ausreichend vorbereitet, auch wenn niemand einen No Deal wolle, hieß es dazu in Brüssel. Die EU-Kommission wandte sich mit neuem Informationsmaterial jetzt aber ausdrücklich auch an die Bürger, nicht nur die Unternehmen und nationalen Behörden. In diesem wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass die Europäische Krankenversicherungskarte nicht mehr gelten würde und dass wieder Zusatzkosten für die Handynutzung anfallen könnten. Zudem müssen EU-Bürger bei der Rückreise mit Zollkontrollen rechnen. Ein Visum soll allerdings nach derzeitigem Stand nur für Aufenthalte notwendig werden, die länger als drei Monate dauern. Für EU-Bürger wurde zudem eine gebührenfreie Hotline geschaltet, wo Interessierte mehr Informationen erhalten, wie sie sich auf ein No-Deal-Szenario vorbereiten können (00800-67891011).