Reformvorhaben

Mehr Autonomie für Brasiliens Zentralbank

Der Kongress räumt der Notenbank mehr Selbstständigkeit ein. Damit wird eines der großen Reformvorhaben des Präsidenten Jair Bolsonaro umgesetzt, die zuletzt ins Stocken gerieten.

Mehr Autonomie für Brasiliens Zentralbank

af Buenos Aires

Brasiliens Abgeordnetenkammer hat am Mittwoch eine Ausweitung der Autonomie der Zentralbank beschlossen. Es war die erste Abstimmung unter Leitung des neuen Parlamentspräsidenten Arthur Lira. Sie soll den Finanzmärkten offenbar signalisieren, dass die Regierung und ihre Verbündeten im Parlament den Reformkurs wieder aufnehmen wollen.

Der Gesetzentwurf definiert die Sicherstellung der Währungsstabilität als „fundamentale Aufgabe“ der Notenbank. Diese solle die Inflation kontrollieren, aber auch zur Förderung der Vollbeschäftigung im Lande „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ beitragen. Weitere sekundäre Ziele sind die Sicherung der Stabilität und Effizienz des Finanzsystems und die Abfederung von Konjunkturschwankungen.

Der Notenbankchef soll weiterhin von der Exekutive nominiert werden und muss vom Senat bestätigt werden. Aber er wird rechtlich davor geschützt sein, von der Regierung wegen Meinungsverschiedenheiten über die Geldpolitik entlassen zu werden. Als Mitglied eines Gremiums von acht Direktoren wird der Zentralbankchef Anspruch auf eine vierjährige Amtszeit haben, die einmal verlängert werden kann. Dabei soll dieses Mandat künftig in der Mitte der Amtszeit des Präsidenten beginnen und auslaufen. Die Amtszeit des derzeitigen Notenbankpräsidenten Roberto Campos Neto, der sein Mandat mit Jair Bolsonaros Amtsantritt 2019 übernommen hat, wird daher Ende 2024 auslaufen, zur Halbzeit des künftigen Präsidenten. Unter der Leitung des ehemaligen Wertpapierhändlers hat die Bank den Leitzins Selic auf ein historisches Tief von 2% gesenkt.

Die Reformagenda der Regierung Bolsonaro war seit der Verabschiedung einer Rentenreform Mitte 2019 weitgehend ins Stocken geraten. Die Corona-Pandemie und Regionalwahlen Ende 2020 lähmten den Reformprozess. Finanz- und Wirtschaftsminister Paulo Guedes will Lateinamerikas größte Wirtschaft durch strukturelle Reformen liberalisieren. Diese Pläne der Regierung erhielten zu Monatsanfang Auftrieb, als Bolsonaro zwei politische Verbündete auf den Spitzenpositionen in beiden Häusern des Parlaments positionieren konnte. Allerdings bleibt für grundlegende Reformen wie die Privatisierung von Staatsbetrieben und die Reform des Steuerlabyrinths nur noch dieses Jahr. 2022 dürfte ganz im Zeichen der Wahlen stehen. In solchen Jahren sind die direkt gewählten brasilianischen Abgeordneten kaum zu schmerzhaften Beschlüssen zu bewegen.

Die Zentralbank agiert in Brasilien seit Jahrzehnten weitgehend unabhängig. Daher sehen Investoren das neue Gesetz als wichtigen, aber vor allem symbolischen Akt, der praktisch wenig ändern dürfte, solange die Regierung nicht auch fiskalisch handelt. 2020 hatte Bolsonaro weite Teile des informellen Sektors mit Direktzahlungen subventionieren lassen, was die öffentliche Verschuldung auf mehr als 90% des Bruttoinlandsprodukts trieb. Sollte sich Ähnliches wiederholen, dürfte auch ein unabhängiger Notenbankchef wenig ausrichten können.