Mehr britische Unternehmen erwärmen sich für Brexit

Großteil sieht keine oder positive Auswirkungen

Mehr britische Unternehmen erwärmen sich für Brexit

hip London – Die Zahl der britischen Unternehmensvertreter, die sich für einen Austritt aus der EU erwärmen können, hat seit Februar stark zugenommen. Wie einer Umfrage der British Chambers of Commerce (BCC) unter ihren 2 200 Mitgliedern zu entnehmen ist, erhöhte sich die Zahl der Brexit-Befürworter von 30 auf 37 %. Die Zahl derjenigen, die sich für den Verbleib in der Staatengemeinschaft aussprechen, ging dagegen von 60 auf 54 % zurück. Die Mehrheit der Befragten gab an, das bevorstehende Referendum habe bislang keine Auswirkungen auf ihr Geschäft gehabt – inklusive Umsatz, Personalpolitik und Investitionen. Während sich vor allem Großunternehmen EU-freundlich zeigten, waren Kleinstunternehmen Brüssel eher feindlich gesinnt. Eine Mehrheit war der Ansicht, ein Austritt hätte entweder keine (36,3 %) oder positive Auswirkungen (15,9 %) auf ihr Geschäft. Am 23. Juni wird in Großbritannien über die Zukunft des Landes in Europa abgestimmt.Das Referendum war ein Wahlversprechen des konservativen Premierministers David Cameron, der damit der UK Independence Party den Wind aus den Segeln nehmen wollte. John Longworth, der Generaldirektor der Spitzenorganisation der Handelskammern, legte sein Amt im März nieder, um sich öffentlich für den Brexit einsetzen zu können (vgl. BZ vom 8. März). Das National Institute for Economic and Social Research (Niesr) veröffentlichte zuletzt eine Schätzung, nach der ein EU-Austritt bis 2030 zu einem Schrumpfen der britischen Wirtschaft um bis zu 7,8 % führen könnte. Dominoeffekt befürchtetEine in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Schweden, Spanien und Ungarn durchgeführte Umfrage des Meinungsforschers Ipsos Mori zeigt, dass nahezu die Hälfte der Befragten (49 %) in den EU-Ländern glaubt, dass Großbritannien den Alleingang wagen wird. Rund 48 % erwarten, dass ein Brexit-Votum einen Dominoeffekt auslösen würde. Ein Referendum über die Mitgliedschaft ihres eigenen Landes würden 45 % begrüßen. In Italien sind es 58 %, in Frankreich 55 %. Für einen Austritt würden 48 % der befragten Italiener stimmen, 41 % der Franzosen und 39 % der Schweden. Alles in allem glauben lediglich 36 %, dass ein Brexit der britischen Wirtschaft schaden würde. 51 % erwarten dagegen negative wirtschaftliche Auswirkungen auf Resteuropa.In den Chefetagen europäischer Unternehmen sieht man die Gefahr. Die Wirtschaftskanzlei King & Wood Mallesons ließ 300 Juristen börsennotierter Unternehmen in Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien dazu befragen, wie die Firmen die Auswirkungen eines Brexit auf ihr Geschäft einschätzen. Demnach erwarten 68 % negative Folgen wie etwa einen Rückgang der britischen Investitionen in europäische Unternehmen (63 %), höhere Zugangsbarrieren zum britischen Markt (46 %) und eine höhere Steuerlast für EU-Firmen (38 %). Gut zwei Drittel der Befragten (67 %) waren der Ansicht, ihre Regierung sollte ein Handelsabkommen mit Großbritannien aushandeln, falls sich das Land für den Brexit entscheidet. Bei den Unternehmen mit 5 Mrd. Dollar und mehr Umsatz waren es 85 %. Immerhin 62 % waren jedoch der Ansicht, dass ein solches Abkommen neue Zölle oder andere Handelsbarrieren beinhalten sollte.Die Briten seien offenbar am meisten davon überzeugt, dass es nicht zum Brexit kommen wird, sagte Bobby Duffy, Managing Director von Ipsos Mori. Nachdem man so viel über die Risiken eines Ausstiegs für Großbritannien gehört habe, sei es schon interessant, dass im Ausland die Sichtweise verbreitet sei, die EU würde mehr unter einer Trennung leiden als das Vereinigte Königreich. Er führt das darauf zurück, wie die EU-Bürger das Verhältnis ihrer Länder zu Brüssel bewerten, und rechnet damit, dass ein Brexit weite Kreise ziehen würde. “Auch mit einem Votum für den Status quo im Juni wären die Herausforderungen, vor denen die EU steht, nicht beendet”, sagte Duffy.