LEITARTIKEL

Mehr Demut!

Als ein "sehr interessantes Konzept" hat EZB-Präsident Mario Draghi die Idee des "Helikoptergeldes" tituliert, also die Verteilung frisch gedruckten Notenbankgeldes an Haushalte, Unternehmen oder den Staat - und so einen Donnerhall ausgelöst. Steht...

Mehr Demut!

Als ein “sehr interessantes Konzept” hat EZB-Präsident Mario Draghi die Idee des “Helikoptergeldes” tituliert, also die Verteilung frisch gedruckten Notenbankgeldes an Haushalte, Unternehmen oder den Staat – und so einen Donnerhall ausgelöst. Steht die Europäische Zentralbank (EZB) mit solchen Geldgeschenken – nach US-Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman sinnbildlich aus dem Helikopter abgeworfen – schon vor dem nächsten Tabubruch? So weit ist es nicht. Und die EZB sollte auch gefälligst die Finger davon lassen. Die Idee und schon die Debatte darüber ist aberwitzig, irreführend und brandgefährlich.Aberwitzig ist die Diskussion, weil es ökonomisch keinen Grund gibt, über Helikoptergeld zu schwadronieren. Die Lage in Euroland ist zwar nicht rosig, die Risiken groß. Aber die Wirtschaft steckt nicht in der Rezession oder gar einer gefährlichen Deflationsspirale. Im Gegenteil: Sie wächst sogar über Potenzial. Dass es nicht besser läuft, liegt an den Nachwehen der Weltfinanzkrise und der Euro-Krise, deren Aufarbeitung die Politik dramatisch langsam angeht, und an strukturellen Hemmnissen. Nur immer mehr Geld bewirkt da nichts. Draghi & Co. müssen sich vielmehr hüten, mit schriller Rhetorik und vertrauensschädigenden Experimenten die Wirtschaft selbst in die Krise hineinzutreiben.Irreführend ist die Debatte gleich doppelt: Einerseits wird behauptet, es handele sich um ein “free lunch”, weil die Notenbank Geld aus dem Nichts schaffen könne. Aber es ist nichts umsonst, und auch den Euro-Bürgern droht am Ende eine dicke Rechnung, etwa über ausbleibende Notenbankgewinne. Andererseits wird wieder so getan, als lösten sich mit Helikoptergeld alle Probleme einfach in Luft auf. Genauso war es beim Quantitative Easing (QE). Tatsächlich ist auch beim Helikoptergeld fraglich, ob es dem Realitätstest standhielte: So naheliegend es sein mag, dass die Menschen mehr ausgeben, wenn sie Geld geschenkt bekommen, so ungewiss ist das. Zumal in Zeiten großer Unsicherheit könnten sie, statt zu konsumieren, auch Schulden tilgen oder sparen. Oder anders ausgedrückt: Ob die Idee des Helikoptergeldes “fliegt”, ist offen. Ganz sicher ist aber auch das kein Allheilmittel.Brandgefährlich schließlich ist die Idee aus mehreren Gründen: Zum einen nährt sie die Illusion, die Notenbanken seien allmächtig. Schon jetzt aber sind sie, allen voran die EZB, heillos überfordert – und sie werden selbst zum Risikofaktor für die Finanzmärkte und die Wirtschaft. In jedem Fall aber übersteigt es das Mandat der EZB, solche Umverteilungsfragen zu entscheiden. Zum anderen geriete der Einsatz zum Präzedenzfall: Bei Bürgern wie Regierungen weckte er Begehrlichkeiten, die die Notenbank künftig kaum zurückweisen könnte. Weil Helikoptergeld zudem immer auf eine gewisse Risikoteilung von Staat und Notenbank hinausläuft, wie Euro-Notenbanker Benoît Coeuré selbst sagt, wäre das für die EZB wenn nicht sogar gleich ein Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung, so doch mindestens ein weiterer bedrohlicher Schritt in die Richtung. Das könnte das Vertrauen in die EZB und den Euro weiter unterminieren. Dass nun gar in Deutschland Zweifel an der Unabhängigkeit laut werden, muss alarmieren. Der schwindende Rückhalt im wichtigsten Euro-Land darf die EZB nicht kaltlassen.Vermutlich noch fataler aber ist das grundsätzliche Signal, das mit solchen Geldgeschenken ausgesendet würde. Schon jetzt fragen sich ob der De-facto-Abschaffung des Zinses viele Menschen, ob Geld überhaupt noch etwas wert ist. Mit Helikoptergeld würden sie erfahren, dass es Geld ohne Gegenleistung gibt. Das würde nicht nur an den Grundfesten der Marktwirtschaft rütteln – es stellte die Wirtschaftsordnung auf den Kopf. Zudem würde den Menschen noch klarer, dass die Notenbank nach Gutdünken immer mehr Geld drucken kann. Die Folgen einer größeren Unsicherheit über die künftige Inflation für Investitionen und Wachstum könnten dramatisch sein. Es drohte auch endgültig das Vertrauen in die Geldordnung verloren zu gehen.Es mag Extremsituationen geben, die den Einsatz dieses “extremen Instruments” (EZB-Chefvolkswirt Peter Praet) rechtfertigen. Von solchen Szenarien ist Euroland aber – zum Glück – Lichtjahre entfernt. Statt immer neue waghalsige geldpolitische Experimente zu starten, sollten die Euro-Notenbanker jetzt lieber mehr Demut zeigen bei der Frage, was Geldpolitik kann – und was nicht. Das gilt umso mehr, als die Unsicherheit, inwieweit die Modelle wirtschaftliche Strukturen und Prozesse noch richtig abbilden, groß ist wie selten. Tatsächlich sind Volkswirtschaften hochkomplexe, sich ständig verändernde Systeme, die nie vollständig verstanden und schon gar nicht hundertprozentig kontrolliert werden können. Wenn die Notenbanker dies ignorieren, droht ihrem Tun ein unseliges Ende: eine noch viel größere Krise in der Zukunft.——–Von Mark SchrörsDie Debatte über “Helikoptergeld” zeugt von Allmachtsfantasien über die und in den Notenbanken. Sie müssen sich aber hüten, fatale Signale zu setzen.——-