Mehr Ehrgeiz bei der Aktienrente!
Aktuell steht das Thema Aktienrente wieder auf der Agenda der Bundesregierung. Das ist gut so, müssen wir das Thema Stärkung der Altersvorsorge doch dringend angehen – und die Aktie hat hier viele Vorteile zu bieten. Vieles ist aber noch unklar. Eine der offenen Fragen ist: Welches Ambitionsniveau werden die politisch Verantwortlichen bei der finanziellen Ausgestaltung der Aktienrente an den Tag legen? Wird es ein gemütlicher Spaziergang in der Rhön oder soll es auf das Dach der Welt gehen, den Mount Everest?
Nur ein Aufbruchssignal
Eine ehrgeizige Herangehensweise ist gefragt, denn das Thema der generationengerechten Rente muss angesichts der wachsenden Zahl an Rentnern bei gleichzeitig sinkender Zahl an Beitragszahlern angegangen werden. Schon lange genügen die Beiträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr, um die Renten der Ruheständler zu zahlen. Das Loch in der Rentenkasse muss durch Steuermittel und damit von uns allen gestopft werden.
2021 brauchte es eine öffentliche Finanzspritze von mehr als 100 Mrd. Euro, was einem Fünftel des Bundeshaushaltes entspricht. Sollen die Beiträge und die Rentenhöhe auch zukünftig in etwa auf dem heutigen Stand bleiben, wird die Regierung die steuerfinanzierten Zuschüsse bis zum Jahr 2060 mehr als verdoppeln müssen. Der Bund wird dann gut die Hälfte seiner Einnahmen in die gesetzliche Rente stecken. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.
Hier kommt die Aktienrente ins Spiel. Die Regierung plant laut Koalitionsvertrag, Steuermittel in Höhe von 10 Mrd. Euro breit gestreut in Aktien und andere Wertpapiere anzulegen. 2023 soll es losgehen mit der Maßgabe, dass bereits Mitte der 2030er Jahre Erträge an die Rentenversicherung fließen sollen.
Sollte die Aktienrente nächstes Jahr starten, ist das ein gutes Zeichen für kommende Rentnergenerationen, da sich mit Aktien attraktive Renditen erzielen lassen. So erwirtschaftete beispielsweise die Standardaltersvorsorgelösung in Schweden mit Aktien in den vergangenen zehn Jahren ein Plus von 285% – und das, obwohl in diesem Zeitraum Ereignisse wie der Corona-Schock 2020 oder der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die Börsen weltweit erschütterten. Bei dem Aufbau eines Kapitalstocks handelt es sich also um eine Investition in die Zukunft, die den Haushalt künftig entlastet, die künftige Neuverschuldung senkt und zur Generationengerechtigkeit beiträgt.
Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Summe kann allerdings nicht mehr als ein Aufbruchssignal sein. Keinesfalls können mit einer einmaligen Investition von 10 Mrd. Euro bis Mitte der 2030er Jahr Erträge in einem Umfang erwirtschaftet werden, der zu einer nennenswerten Entlastung der gesetzlichen Rentenkasse führt.
Unterstellt man, dass der Kapitalstock jährlich um 6% wächst und kein Geld entnommen wird, verdoppeln sich die 10 Mrd. Euro bis 2035. Wird bis 2060 auf Zahlungen aus dem Aktientopf verzichtet, kommen immerhin 92 Mrd. Euro zusammen. Die jährlichen Erträge zur Entlastung der Rentenkasse würden 2035 etwas mehr als 1 Mrd. Euro und 2060 dann 5 Mrd. Euro betragen.
Das ist deutlich zu wenig vor dem Hintergrund, dass 2060 fast 260 Mrd. Euro Steuerzuschüsse benötigt werden, um das Umlageverfahren ungefähr auf dem heutigen Niveau zu halten. Bezieht man die Inflation ein, erhöht sich dieser Betrag mindestens auf das Doppelte. Eine Bundesregierung, die einmalig 10 Mrd. Euro für den Aufbau eines Kapitalstocks bereitstellen will, ist damit so ambitioniert wie der Höhenbergsteiger, der sich mit einem gemütlichen Spaziergang zu einer Anhöhe in der Rhön zufriedengibt.
Ziel darf aber nicht die Rhön sein, sondern die Zugspitze oder noch besser der Mount Everest. Werden beispielsweise bis 2035 Jahr für Jahr 10 Mrd. Euro am Aktienmarkt angelegt, entsteht bei Erträgen von 6% pro Jahr ein Kapitalstock von rund 200 Mrd. Euro. Rund 12 Mrd. Euro können dann jährlich an die Rentenkasse fließen. Sparen wir entsprechend bis 2060, bildet sich ein Kapitalstock von mehr als 1,4 Bill. Euro und 86 Mrd. Euro können pro Jahr der Rentenkasse zugutekommen. Zumindest die Zugspitze wäre damit erreicht.
Dem Aufstieg zum Mount Everest entspricht dann die Umsetzung der ursprünglich von der FDP vorgeschlagenen Aktienrente, die sich an dem in Schweden existierenden Modell orientiert. Seit mehr als 20 Jahren legen dort Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2,5 Prozentpunkte ihrer Beiträge zur gesetzlichen Rente erfolgreich aktienorientiert an. Die FDP wollte zwei Prozentpunkte der Beiträge zur gesetzlichen Rente in den Aktienmarkt lenken. Aktuell wären dies rund 29 Mrd. Euro. Wird dieser Betrag Jahr für Jahr am Aktienmarkt angelegt und erwirtschaftet das angelegte Geld durchschnittlich 6% Erträge, entsteht bis 2060 ein Kapitalstock von 4,2 Bill. Euro. Jährliche Erträge von 252 Mrd. Euro können wesentlich dazu beitragen, den öffentlichen Haushalt bei der Finanzierung der gesetzlichen Rente zu entlasten.
Klotzen, nicht kleckern
Die Ankündigung der Bundesregierung, den Aufbau des Kapitalstocks in Rahmen der gesetzlichen Rente im nächsten Jahr zu starten, ist ein wichtiges Signal. Die Politik hat die Notwendigkeit erkannt, Aktien zu einem festen Baustein der Rente zu machen. Jetzt heißt es aber klotzen, nicht kleckern, und es braucht einen langen Atem, um die positiven Wirkungen des Zinseszinseffektes optimal zu nutzen.
Dr. Christine Bortenlänger ist Geschäftsführende Vorständin und Dr. Norbert Kuhn Leiter Unternehmensfinanzierung beim Deutschen Aktieninstitut.
In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.