Mehrwertsteuersenkung kann kommen

Bundestag und Bundesrat stimmen zu - Rechnungshof hält geringere Neuverschuldung für möglich

Mehrwertsteuersenkung kann kommen

wf Berlin – Die gesetzliche Grundlage für die Mehrwertsteuersenkung zum 1. Juli ist gelegt. Bundestag und Bundesrat stimmten in Berlin in Sondersitzungen auf den letzten Drücker für die auf sechs Monate befristete Reduzierung der Sätze. Der Regelsatz der Mehrwertsteuer wird damit um 3 Punkte auf 16 % verringert, der ermäßigte Satz um 2 Punkte auf 5 %. Dies ist Teil des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes, mit dem die schwarz-rote Koalition der Wirtschaft nach dem Lockdown in der Corona-Pandemie wieder auf die Beine helfen will. “Wir haben die Chance, die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte wieder auf Wachstumskurs zu bringen”, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).Das Gesetz umfasst weitere Punkte zur Entlastung der Wirtschaft. Die Einfuhrumsatzsteuer wird später fällig. Verluste sind 2020 und 2021 bis zu 5 Mill. Euro rücktragbar und können in der Steuererklärung 2019 genutzt werden. Wirtschaftsgüter, die 2020 oder 2021 angeschafft werden, dürfen mit 25 % degressiv abgeschrieben werden. Weitere Finanzhilfen und Steuererleichterungen zielen auf CO2-freie Dienstwagen und forschende Unternehmen.Im Bundestag stimmten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD für das Gesetz, AfD und FDP dagegen. Grüne und Linke enthielten sich. Dem Bundesrat fiel die Zustimmung leicht. Das Bundesfinanzministerium rechnet in diesem Jahr mit Steuerausfällen von 23,4 Mrd. Euro. Davon schultert der Bund 20,1 Mrd. Euro. Allein 13 Mrd. Euro kostet die Mehrwertsteuersenkung, 5,4 Mrd. Euro der Kinderbonus von 300 Euro für jedes Kind. Der Bund kompensiert die Mehrwertsteuerausfälle der Länder und übernimmt auch deren Anteil am Kinderbonus von rund 2,5 Mrd. Euro. Die Länderkammer hielt in einem begleitenden Schreiben fest, dass die Bundesregierung zugesagt habe, alle Ausfälle aus der Umsatzsteuer zu übernehmen – auch solche, die erst 2021 kassenwirksam werden. Kritik am KonjunkturpaketDie Opposition im Bundestag kritisierte die Maßnahmen. Für die FDP hielt Christian Dürr der Regierung vor, der Mittelstand kämpfe mit “absurdem bürokratischen Aufwand”. Sahra Wagenknecht von der Linken konstatierte, Experten zufolge kämen von 20 Mrd. Euro Mehrwertsteuerausfällen nur 3 Mrd. Euro beim Verbraucher an. Sie plädierte für Konsumschecks. Für die Grünen stellte Danyal Bayaz infrage, ob der von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) angekündigte “große Wumms” durch die Mehrwertsteuersenkung einsetze. Die Bürger hätte eine Senkung der EEG-Umlage stärker und unbürokratischer entlastet.Wegen der Finanzhilfen in der Coronakrise will der Bund sich in diesem Jahr mit 218,5 Mrd. Euro neu verschulden. 156,0 Mrd. Euro davon hatte der Bundestag bereits gebilligt. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hörte dazu gestern Experten an. Der Bundesrechnungshof forderte den Bund auf, seine Rücklage von 48 Mrd. Euro aufzulösen und die Neuverschuldung 2020 so zu drücken. Das Ifo-Institut drang auf strukturelle Reformen wie eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, um langfristig die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen zu sichern. Durch das Konjunkturpaket rechnet es in diesem Jahr mit einem Wachstumsimpuls von 0,9 Prozentpunkten. Wirtschaftsweiser Volker Wieland hält die Schuldentragfähigkeit des Bundes zunächst nicht für beeinträchtigt, sofern die Volkswirtschaft auf einen Wachstumspfad zurückkehre. Wirtschaftsweiser Achim Truger riet von Ausgabenkürzungen oder von Steuererhöhungen als Alternative zur Nettokreditaufnahme ab. Dies würde den konjunkturellen Impuls zerstören.