Merkel allein gegen Trump und Seehofer

Auge um Auge "mit Abstand schlechteste Reaktion"

Merkel allein gegen Trump und Seehofer

Von Ulli Gericke, BerlinFragen über Fragen, und Antworten, die erwartbar waren. Wie jedes Jahr stellte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag, unmittelbar vor ihrem Sommerurlaub, der Hauptstadtpresse. Und wie in all den Jahren zuvor absolvierte sie den 90-minütigen Fragemarathon souverän, egal ob nun nach dem unionsinternen Streit um die richtige Flüchtlingspolitik, dem Fachkräftezuwanderungsgesetz, dem gerade mit einer lebenslangen Haftstrafe für Beate Zschäpe beendeten NSU-Verfahren, der Dieselstrategie der Bundesregierung oder dem von US-Präsident Donald Trump angefachten Handelskrieg gefragt wurde. Wie immer zeigte sich Merkel bis in die kleinste Kleinigkeit informiert, antwortete ruhig und rational – und manchmal auch süffisant. Sicherlich habe der erbitterte Streit der vergangenen Wochen zwischen CDU und CSU und die dabei genutzte Tonalität die Unzufriedenheit der Bürger mit der Arbeit der Regierung beflügelt – was ja auch “nicht verwunderlich” sei. Keine EndzeitstimmungAber letztlich habe Innenminister und CSU-Vorsitzender Horst Seehofer ihre Richtlinienkompetenz akzeptiert. Wenn das klar sei, “dann kann die Zusammenarbeit funktionieren. Wenn nicht, dann nicht.” Momentan arbeite sie gerne mit allen Ministern zusammen. Nach Endzeitstimmung der Kanzlerschaft Merkel, die einige politische Magazine noch vor wenigen Wochen ausgerufen hatten, klang das nicht.Wirtschaftsthemen waren unter den 38 Fragen Rarität. Und zum Brexit wollte überhaupt keiner was wissen. Dafür bewegte die gut 200 Hauptstadtkorrespondenten umso mehr das Duo Merkel/Trump, das Verhältnis der stets besonnenen Kanzlerin zu ihrem lauten, sprunghaften, allzu oft drohenden amerikanischen Gegenspieler. Dem “Du-weißt-schon-wer”, wie es Merkel gestern hielt, “dessen Name nicht genannt werden darf”, wie einst bei Harry Potter. Als “sehr ernste Situation” bezeichnet sie die aktuelle Lage nach den verhängten US-Zöllen, den Drohungen gegenüber der EU und dem Verteidigungsbündnis Nato. Kooperation mit USA zentralDabei habe die Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren doch gezeigt, dass sie nur gemeinsam und mit einem funktionierenden Regelwerk bekämpft werden kann. All die angedrohten Handelshindernisse gefährdeten die Prosperität in der Welt, mahnte Merkel, die gleichzeitig ankündigte, dass Europa einheitlich, souverän und deutlich antworten werde – “man soll die Dinge beim Namen nennen”. Gleichwohl sei ein Auge für Auge, Zahn für Zahn “die mit Abstand schlechteste Reaktion”. Schließlich seien trotz des Zwists die transatlantischen Beziehungen so wichtig, dass es sich lohne, mit Washington über Lösungen zu streiten. Ungeachtet der zunehmenden Abgrenzung des US-Präsidenten von Europa sei die Zusammenarbeit mit den USA weiter “zentral für uns.”Dass Trump sie, und vor allem sie kritisiert, “nehme ich zur Kenntnis”. Vielleicht sei sie ja prototypisch für den sehr intensiven deutsch-amerikanischen Handel, wo es zwar beim Waren- und Güteraustausch eine sehr deutliche Schieflage gebe. Würden aber Dienstleistungen und überwiesene Gewinne hinzugerechnet, wäre die Leistungsbilanz ausgeglichen, sogar leicht positiv für die USA.Typisch Merkel: Sachlichkeit und Fakten seien ihr sehr wichtig, betont die Kanzlerin, “weil ich glaube, dass es zwischen Denken, Sprechen und Handeln einen ziemlich engen Zusammenhang gibt”. Was tun mit Trump? bleibt als Frage offen im Raum stehen. Thyssenkrupp nicht aufteilenBefragt zu Thyssenkrupp plädiert Merkel dafür, dass der Konzern ein “möglichst breit aufgestelltes” Unternehmen bleibt – womit sie sich gegen eine mögliche Zerschlagung ausspricht. Letztlich gehe es hier aber um eine unternehmerische Entscheidung. Bei der auch regierungsintern umstrittenen teuren Nachrüstung von Diesel-Pkw mit Stickoxid-Katalysatoren will Merkel bis Ende September Klarheit haben. Bislang hat sich die eingesetzte Arbeitsgruppe der Regierung noch auf keinen Abschlussbericht einigen können. “Das kann nicht bis auf den Sankt Nimmerleinstag vertagt werden”, sagte die Kanzlerin.—– Wertberichtigt Seite 6