Merkel und Macron werfen Motor an

Deutsch-französische Initiative für Wiederaufbaufonds - EU-Kommission stellt nächste Woche Pläne vor

Merkel und Macron werfen Motor an

Der deutsch-französische Motor, der die Europäische Union seit Jahrzehnten antreibt, ist zuletzt häufig ins Stottern geraten. Mit einem gemeinsamen Vorschlag zum Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie versuchen Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron jetzt einen Neustart.ahe/sp Brüssel/Berlin – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Emmanuel Macron haben zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie in Europa den zuletzt stotternden deutsch-französischen Motor angeworfen. In einer gemeinsamen Erklärung schlagen die beiden Kernländer der Europäischen Union (EU) ein Maßnahmenpaket vor, in dessen Zentrum sie “einen ehrgeizigen, zeitlich begrenzten und zielgerichteten Fonds zur wirtschaftlichen Erholung im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens” mit einem Volumen von 500 Mrd. Euro vorsehen. Die neue deutsch-französische Initiative umfasst außerdem die Bereiche Gesundheit, Wirtschaft, Umweltschutz, Internet und Industriepolitik.Die vorgeschlagenen Mittel sollen zusätzlich zum EU-Haushalt in den kommenden drei Jahren an Staaten gezahlt werden, die von der Pandemie besonders betroffen sind, erklärten Merkel und Macron bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Das Geld soll als Zuschuss und nicht als Kredit gezahlt werden. Die EU-Kommission soll dazu ermächtigt werden, bis zu 500 Mrd. Euro an gemeinsamen Anleihen aufzunehmen. Die Rückzahlung erfolge über den EU-Haushalt und einen sehr langen Zeitraum, sagte Merkel. Deutschland zahle daran einen Anteil wie im EU-Haushalt von etwa 27 %; der Bundestag müsse der Ermächtigung der EU-Kommission für die Anleihen zustimmen. 3 Bill. Euro gegen die KriseSowohl Merkel als auch Macron betonten, dass die EU in dieser außergewöhnlichen Krise auch außergewöhnlich handeln müsse. Zählt man die vorgeschlagenen Wiederaufbaumittel mit Hilfskrediten der Europäischen Investitionsbank für europäische Unternehmen, EU-Unterstützung für Kurzarbeitergeld und Kreditlinien im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus zusammen, die sich ebenfalls auf rund 500 Mrd. Euro belaufen, bringe die EU nach dem deutsch-französischen Vorschlag rund 1 Bill. Euro in Stellung, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu dämpfen, rechnete Merkel vor. Hinzu kämen noch einmal rund 2 Bill. Euro, die in den einzelnen Mitgliedsländern an Krisenhilfe aufgebracht werden. “Das sind 3 Bill. in Europa als Reaktion auf die Krise, die sich auch international sehen lassen kann”, warb Merkel für den deutsch-französischen Vorstoß in Sachen europäischem Wiederaufbauplan, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 27. Mai vorstellen will.Die Brüsseler Behörde will diesen sogenannten Recovery Fund mit dem nächsten mittelfristigen EU-Haushalt verknüpfen, der 2021 beginnt. Finanziert werden soll die Wiederaufbauhilfe über EU-Anleihen, die mit Garantien der Mitgliedstaaten und des EU-Budgets abgesichert werden. Jüngsten Medienberichten zufolge will die Kommission einen größeren Teil der Gelder als nicht rückzahlbare Zuschüsse und nur einen kleineren Teil als Kredite vergeben. Dies ist unter den Mitgliedstaaten allerdings weiter umstritten.Unterdessen äußerte sich die EU-Kommission erneut besorgt darüber, dass die derzeitige Coronakrise die wirtschaftlichen Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedstaaten noch weiter vergrößert. Es bestehe die Gefahr, dass die unterschiedlich hohen nationalen Beihilfen den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt verzerrten und die wirtschaftliche Erholung verlangsamten, sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager der “Süddeutschen Zeitung”. Dies sei “zu einem gewissen Grad schon eingetreten”.Insgesamt hat die EU-Kommission seit Ausbruch der Pandemie bereits mehr als 120 Corona-bedingte Beihilfen im Volumen von etwa 1,95 Bill. Euro genehmigt. Von dieser Summe entfielen 51 % auf Deutschland – obwohl der Anteil der Bundesrepublik am europäischen Bruttoinlandsprodukt 2019 lediglich bei rund einem Fünftel lag. Die französischen Coronabeihilfen machen dagegen nur einen Anteil von 17 % in der EU aus, die italienischen 15,5 % und die polnischen lediglich 2,5 %.