DEUTSCH-CHINESISCHE REGIERUNGSKONSULTATIONEN

Merkel verlangt Gegenseitigkeit

Chinesisch-deutsche Beziehungen auf dem Prüfstand - Bundeskanzlerin mit sechs Ministern in Peking

Merkel verlangt Gegenseitigkeit

Bereits zum neunten Mal weilt die deutsche Bundeskanzlerin während ihrer Amtszeit in China. Geopolitische Fragen trennen die beiden Länder nicht. Dagegen werden die Differenzen bei wirtschaftlichen Themen immer offensichtlicher.Von Matthias Müller, PekingDass es um das chinesisch-deutsche Verhältnis jedoch nicht zum Besten bestellt ist, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Ansprache an der deutschen Botschaft am Sonntagabend durchblicken. Sie nahm das Wort Differenzen wiederholt in den Mund. Sie verwies darauf, dass es auch in Familien Streit gebe, den man jedoch miteinander bereden müsste. Einen kleinen Seitenhieb konnte sich Merkel nicht verkneifen. An die Adresse Pekings hatte sie bei einer Rede zur Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Nanjing gesagt: “Fortschritt braucht Freiheit.” Eine Tatsache, die Chinas Machthaber nicht akzeptieren wollen.Gesprächsbedarf besteht zwischen den chinesischen und deutschen Regierungsmitgliedern. Merkel weilt von Sonntag bis Dienstag mit sechs Ministern, diversen Staatssekretären und einer hochrangig besetzten Wirtschaftsdelegation in China. Bei den Konsultationen wurden am Montag 24 Abkommen geschlossen, darunter Wirtschaftsvereinbarungen im Umfang von 2,7 Mrd. Euro. Gleichbehandlung gefordertFür Irritationen zwischen beiden Ländern haben die Diskussionen über chinesischen Investitionen in Europa sowie die Frage gesorgt, ob China eine Marktwirtschaft ist. Vor allem die Pläne des chinesischen Unternehmens Midea, das seinen Anteil am deutschen Roboterhersteller Kuka auf mindestens 30 % erhöhen will, haben in Deutschland zu hitzigen Debatten und skurrilen Vorschlägen geführt. Laut “Handelsblatt” will Midea aber nicht über 49 % halten. Besonders weit aus dem Fenster hatte sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gelehnt. Er hatte angeregt, eine Allianz deutscher oder europäischer Unternehmen zu schmieden, um Midea auszustechen. Allerdings hielt sich die Begeisterung bei potenziellen europäischen Partnern in Grenzen. Der Chef von Siemens, Joe Kaeser, bekräftigte in Peking, kein Interesse an einer Kuka-Beteiligung zu haben. Bezeichnenderweise hat Gabriel die Reise nach Peking nicht angetreten.Weit offener für chinesische Investitionen in Europa als Gabriel zeigte sich Merkel. Sie erinnerte die chinesische Seite jedoch daran, dass bei den Investitionsbedingungen Reziprozität herrschen müsse. Bisher ist es für chinesische Unternehmen kein Problem, europäische Firmen und deren Know-how zu kaufen. Im Umkehrschluss gilt diese Aussage jedoch nicht für europäische Konzerne, die an chinesischen Unternehmen interessiert sind. Der Präsident der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, hatte es jüngst auf den Punkt gebracht: Gedankenspiele, ob es derzeit einem Europäer gestattet wäre, eine chinesische Perle à la Syngenta oder Kuka zu kaufen, enden in einem klaren Nein. Abhilfe soll nun ein bilaterales Investitionsabkommen zwischen China und der EU liefern, das in zwölf bis achtzehn Monaten unter Dach und Fach sein könnte. Etwas weiter sind die Verhandlungen zwischen China und den USA vorangeschritten. Noch vor dem G 20-Gipfel in Hangzhou Anfang September wollen sich die beiden Länder auf ein Investitionsabkommen verständigt haben. Warnung vor HandelskriegSchließlich warnten Chinas Regierungschef Li Keqiang und Merkel unisono vor einem Handelskrieg. Solch düstere Szenarien werden wegen der Diskussionen, ob die EU China den Status einer Marktwirtschaft zusprechen soll, entworfen. Während Peking darauf verweist, dass 15 Jahre nach Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation man den Status ab dem 11. Dezember 2016 automatisch erhalten müsse, mehrt sich in der EU der Widerstand, weil bestimmte Branchen wie die Stahlindustrie dagegen opponieren.Die Frage ist, wie ein Kompromiss aussehen könnte, denn sowohl eine Mehrheit der 28 EU-Mitgliedsländer sowie das Europäische Parlament müssen zustimmen, was derzeit ein unrealistisches Szenario ist. Noch vor der Sommerpause wollen sich die Europäische Union und China treffen, um diese Frage zu diskutieren.