Merkel warnt Großbritannien vor Illusionen

"Drittstaat kann keine gleichen Rechte haben" - Kanzlerin wirbt im Bundestag für Zusammenhalt in der EU

Merkel warnt Großbritannien vor Illusionen

wf Berlin – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Großbritannien vor Illusionen über die Folgen des Austritts aus der Europäischen Union gewarnt. “Ein Drittstaat – und das wird Großbritannien sein – kann und wird nicht über die gleichen Rechte verfügen oder womöglich bessergestellt werden können als ein Mitglied der Europäischen Union”, sagte Merkel in einer Regierungserklärung im Bundestag in Berlin. Darüber seien sich alle 27 Mitgliedstaaten und die europäischen Institutionen einig.Die europäischen Staats- und Regierungschefs kommen am Samstag zu einem Sondergipfel über den Austritt Großbritanniens aus der EU – den Brexit – zusammen. Bei dem Treffen sollen Leitlinien beschlossen werden, die als Grundlage eines später zu beschließenden Verhandlungsmandats für die EU-Kommission dienen. Merkel rechnet mit der Verabschiedung des Verhandlungsmandats Ende Mai. Die eigentlichen politischen Verhandlungen mit Großbritannien dürften erst nach den britischen Unterhauswahlen am 8. Juni an Fahrt aufnehmen. “Guter Start” vor GipfelBei einem Treffen in Luxemburg stellten sich am Donnerstag die Europaminister bereits geschlossen hinter Leitlinien für die Brexit-Gespräche. Dies berichtet die Nachrichtenagentur dpa-afx unter Berufung auf den maltesischen Ratsvorsitzenden Louis Grech. “Das heutige Treffen war bemerkenswert, denn es war ein beispielloses Signal des Vertrauens, der Einigkeit und des Konsenses der 27”, sagte Maltas Vizeministerpräsident. “Ich glaube, das ist ein sehr guter Start für die sehr komplexen Verhandlungen, die uns bevorstehen.”Die Verhandlungsleitlinien fassen Positionen und Grundsätze der EU-Seite zusammen. Einen Entwurf von EU-Ratspräsident Tusk hatten Experten in den vergangenen Wochen nachgeschärft. Merkel machte im Bundestag deutlich, dass es Europa seit dem britischen Referendum hervorragend gelungen sei, “trotz divergierender Einzelinteressen geschlossen und vereint aufzutreten”. Dies sei nach dem Brexit-Referendum “alles andere als ausgemacht” gewesen. Wichtig sei es nun, bei den Verhandlungen die Reihenfolge einzuhalten, unterstrich die Kanzlerin. “Ein Abkommen über das zukünftige Verhältnis mit Großbritannien können wir erst schließen, wenn alle Austrittsfragen zufriedenstellend geklärt sind.” Ohne Fortschritt bei den offenen Austrittsfragen inklusive der finanziellen Fragen mache es keinen Sinn, parallel über das künftige Verhältnis zu verhandeln. Die finanziellen Verpflichtungen werden auf 60 Mrd. Euro geschätzt. Großbritanniens Premierministerin Theresa May strebt eine zweigleisige Verhandlung an.In den Verhandlungen selbst hält Merkel drei Punkte für zentral: die Alltagsfragen der vom Brexit betroffenen Menschen zu lösen und Schaden von der EU abzuwenden, falls der Übergang Großbritanniens zu einem Drittstaat nicht glückt. Schließlich gelte es, den Zusammenhalt in der EU-27 zu stärken. In Großbritannien leben allein 100 000 Deutsche, die vor einer ungewissen Zukunft stehen. Rechtssicherheit brauchten auch Unternehmen beim Handel oder Wissenschaftler bei Kooperationen.