Merkels "Schönheits-Trip" in Florenz

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 24.1.2015 Mit dem Film "La Grande Bellezza" ("Die große Schönheit") ging der Oscar 2014 nach Italien. Ein kultureller "Schönheits-Trip" in die Renaissance-Stadt Florenz hat Bundeskanzlerin Angela...

Merkels "Schönheits-Trip" in Florenz

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandMit dem Film “La Grande Bellezza” (“Die große Schönheit”) ging der Oscar 2014 nach Italien. Ein kultureller “Schönheits-Trip” in die Renaissance-Stadt Florenz hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nun zu sanfteren Tönen gegenüber dem Krisenland Italien bewogen. Im Schatten von Michelangelos David-Skulptur lobte die Kanzlerin das “unglaublich ambitionierte” Reformprogramm der Regierung von Matteo Renzi. Mag sein, dass das Programm ambitioniert ist – die Umsetzung nach knapp einem Jahr ist eher dürftig.Jedenfalls hat der Besuch der deutschen Bundeskanzlerin in Florenz, wo Premier Renzi vor seinem Regierungsantritt Bürgermeister war, die Stimmung zwischen den beiden Regierungschefs entspannt. Merkel drang darauf, dass Europa mit den Reformen – trotz des massenhaften Anleihenkaufs der EZB – nicht nachlassen dürfe. Renzi stimmte ihr zu, indem er versprach, die Reformen zu beschleunigen. Er betonte erneut, dass mit der monetären Politik allein das Wachstum nicht stimuliert werde. Weitere flankierende Maßnahmen seien nötig. Über Maastricht-Kriterien oder Haushaltsdisziplin wurde kein Wort verloren. Besser so. Rückfall in alte RollenmusterTatsache ist, dass in der Euro-Krise Deutsche und Italiener in ihr altes Rollenmuster der Nachkriegszeit zurückgefallen sind. Die Fragen, ob Deutschland schuld an der längsten Rezession der italienischen Nachkriegszeit sei oder aber ob Rom die Stabilität des Euro gefährde, haben Stereotypen und Vorurteile auf beiden Seiten wiederbelebt. Je mehr sich die Krise in Italien zuspitzt, umso mehr verfestigen sich die Klischees. Deutsche gelten in Italien gemeinhin als autoritätshörige, hierarchisch denkende Personen, die wenig Fantasie und keinerlei Flexibilität besitzen. Auch Befürchtungen eines deutschen Wirtschaftsimperialismus halten sich hartnäckig. Und italienische Politiker – nicht nur die Populisten – schieben Deutschland nur zu gern die Schuld für die italienische Wirtschaftskrise zu. Ungern räumen sie ein, dass die italienische Schuldenkrise hausgemacht ist. Aber das Image der Deutschen hat sich in den vergangenen Jahren auch in mancher Hinsicht gebessert: den Deutschen zugeordnete Eigenschaften wie Disziplin, Pünktlichkeit und Ordnungsliebe, die früher belächelt wurden, werden nun positiv gesehen. In Deutschland weit verbreitet ist das Klischee des Italieners als unverlässlichen, undisziplinierten Staatsbürgers, der sich an keine Regel hält und besessen scheint, jederzeit “bella figura” zu machen, – also einen guten Eindruck zu hinterlassen. Über die Beziehungen zwischen Italien und Deutschland gibt es einen bitteren Spruch: “Die Deutschen lieben die Italiener, achten sie aber nicht. Und die Italiener achten die Deutschen, lieben sie aber nicht.”Italien hat viele Probleme. Aber wenn es Renzi gelingt, dass Italien wieder zu einem Protagonisten im EU-Umfeld wird, dürften auch die höchst unterschiedlichen politkulturellen Ansätze der beiden Länder – sowie Vorurteile – abnehmen. ——–Angela Merkel und Matteo Renzi sind sich in einem einig – ohne Reformen geht es nicht.——-