Mersch sieht Negativzinsen kritisch

EZB-Direktor warnt vor Verhaltensänderungen - Absage an IWF-Vorstoß

Mersch sieht Negativzinsen kritisch

ms Frankfurt – EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch hat sich kritisch zu stark negativen Leitzinsen geäußert und der Idee eine Absage erteilt, mittels einer Art automatischer Entwertung von Bargeld den Spielraum für negative Zinsen zu erhöhen – eine Idee, die zuletzt vor allem der Internationale Währungsfonds (IWF) erneut ventiliert hatte. Der Notenbanker äußerte sich am Freitag bei einer geldpolitischen Konferenz in Warschau. In seiner Rede untermauerte Mersch zudem, dass es für die Europäische Zentralbank (EZB) derzeit keinen Grund gebe, eine digitale Währung für alle aufzulegen.Mersch sagte, dass deutlich negative Zinsen zwar in der Theorie funktionierten, dass es aber bei den Wirtschaftsakteuren zu “unbeabsichtigten Verhaltensänderungen” kommen könne. Er hält denn auch nichts von Vorschlägen, ein System der doppelten Währung – Bargeld und E-Geld – einzuführen, in dem mittels bewusster Eingriffe Bargeld unattraktiver gemacht werden könnte. “Ich habe den Alptraum der doppelten Wechselkursregime vor dem Euro erlebt, und ich habe Zweifel an diesen Argumenten”, sagte Mersch.Die Debatte über die Negativzinsen und ihre Risiken hat wieder Fahrt aufgenommen, weil die EZB angesichts der schwächelnden Euro-Wirtschaft die zuvor für Ende 2019 avisierte Zinswende mindestens bis ins Jahr 2020 vertagt hat. Insbesondere Banken und Versicherer klagen über den negativen Einlagenzins von aktuell -0,4 %. Unlängst hatte zudem der IWF mit einem Vorstoß für Aufsehen gesorgt, durch die automatische Entwertung von Bargeld den Spielraum der Zentralbanken zu erhöhen, die Leitzinsen unter null zu drücken. “Kultur des Sparens” bedrohtMersch zeigt sich nun erneut durchaus skeptisch, was negative Zinsen betrifft. Ende 2017 hatte der Notenbanker bereits im Interview der Börsen-Zeitung vor Gefahren für die “Kultur des Sparens” gewarnt (vgl. BZ vom 30.12.2017). Auch jetzt zeigte er sich besorgt über das mögliche Verhalten der Öffentlichkeit bei deutlich negativen Zinsen – “insbesondere nach Jahrtausenden positiver Nominalzinsen”.Er lehnte zudem den IWF-Vorstoß zum Bargeld ab, der darauf hinausläuft, die Geldmenge in zwei Parallelwährungen zu unterteilen und zwischen Bargeld und Sicht- sowie Spareinlagen einen Umtauschkurs einzuführen – und so die Möglichkeit für Manipulationen zu schaffen. Pikanterweise geht der IWF-Vorschlag auf frühere Arbeiten zurück, an denen auch EZB-Experten beteiligt waren.Mersch machte auch klar, dass die EZB derzeit keine Absicht habe, ein digitales Zentralbankgeld für alle aufzulegen. Dafür gebe es “keine überzeugende Motivation”. Auch der Chef der Bank der Zentralbanken BIZ, Agustín Carstens, äußerte sich am Freitag erneut kritisch zu dieser Idee. Es gebe “keine klare Nachfrage” der Gesellschaft für digitales Zentralbankgeld. Zudem warnte er vor den möglichen Folgen: “Es gibt enorme operative Konsequenzen für die Zentralbanken bei der Umsetzung der Geldpolitik und Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzsystems.”