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Messer wetzen im Klimakabinett

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 19.7.2019 Er wird zu einem Machtkampf im Kabinett führen: der Klimaschutz. Einen Tag bevor das sogenannte Klimakabinett gestern Abend zum dritten Mal tagte, ging Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD)...

Messer wetzen im Klimakabinett

Von Angela Wefers, BerlinEr wird zu einem Machtkampf im Kabinett führen: der Klimaschutz. Einen Tag bevor das sogenannte Klimakabinett gestern Abend zum dritten Mal tagte, ging Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in die Offensive. Sie forderte eine höhere Luftverkehrsabgabe. Schulze meint, auch der Luftverkehr müsse seine Kosten der Klimagasemission tragen, und machte sich für einen “fairen CO2-Preis” im Flugverkehr stark. Prompt konterte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU): Die Diskussion über Einzelmaßnahmen halte er für nicht zielführend; die Einigung über ein Gesamtpaket zum Klimaschutz werde dadurch nicht besser gelingen. Gesamtpaket im Herbst Union und SPD wetzen vor dem Herbst die Messer. In den nächsten Wochen will das Klimakabinett Möglichkeiten ventilieren, wie Deutschland zügig handeln und seine Klimaziele doch noch erreichen kann. Im September soll das Gesamtpaket präsentiert werden, vor Jahresablauf soll es kabinettsreif sein. Dies wird nicht ohne Hauen und Stechen zwischen den Koalitionspartnern gehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte im April das Klimakabinett etabliert, das – neben den üblichen Kabinettssitzungen an jedem Mittwoch – ausschließlich den Klimaschutz zum Thema hat. Die Sitzung am Abend erlaubt es, open end zu beraten.Dem Klimakabinett gehören alle Kabinettsmitglieder an, die in das Thema involviert sind. Besondere Aufmerksamkeit genießt Schulze, die für den Umweltschutz zuständig ist. Die SPD-Politikerin ist seit 2018 Bundesministerin. Bis zum Regierungswechsel im Sommer 2017 war sie in Nordrhein-Westfalen Ressortchefin für Innovation, Wissenschaft und Forschung im Kabinett von Hannelore Kraft (SPD). Sie setzte dort die Abschaffung der Studiengebühren durch.Im Bundeskabinett steht Schulze vor dem Problem, dass sie zwar für Umweltschutz zuständig ist, aber nur übergeordnet. Die konkreten Maßnahmen fallen nicht in ihr Ressort – zumindest nicht mehr, seit der Bereich Bau in der erneuerten großen Koalition 2018 dem Bundesinnenministerium zugeschlagen wurde, dem Haus von Horst Seehofer (CSU). Klimaschutzinstrumente wie die Wärmedämmung für Gebäude stehen damit unter seiner Obhut. Dort muss noch viel getan werden, will die Bundesregierung ihre Klimaschutzziele für 2030 erreichen.Auch in weiteren Bereichen, in denen es um konkretes Handeln geht, liegen die Ministerien in der Hand der Union. Den Sektor Verkehr verantwortet Andreas Scheuer, Parteifreund von Seehofer. Im Verkehrsbereich ist der CO2-Ausstoß seit 1990 sogar leicht gestiegen, statt zu sinken. Die Emissionen von Treibhausgasen ging zwar im Einzelnen zurück, das Verkehrsaufkommen insgesamt aber nahm zu und führte zu diesem unerwünschten Ergebnis. Scheuer hat eine lange Liste von 50 Punkten vorgelegt, die den Klimaschutz im Verkehrssektor voranbringen sollen. Dazu zählte eine Mehrwertsteuerermäßigung für Bahnfahrkarten, um Reisen auf der Schiene attraktiver zu machen. Von einer CO2-Steuer, die die SPD favorisiert, hält die CSU dagegen wenig.Auch die Landwirtschaft trägt zum Ausstoß von Treibhausgasen bei, wenn auch hierzulande zu einem geringen Teil von knapp einem Zehntel. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) führt dieses Ressort und hat dabei die marktwirtschaftliche Brille auf. Sie hatte bereits frühzeitig Vorschläge zu Einsparmöglichkeiten beim Treibhausgasausstoß in ihrem Feld an ihre Kabinettskollegin Schulze geliefert.Altmaier hat im Klimakabinett zwei Funktionen, eine bereichsbezogene – und eine übergeordnete wie Schulze. Als Energieminister ist der CDU-Politiker verantwortlich, Wege zur Reduktion von Treibhausgasen in der Energiewirtschaft und der Industrie zu finden. In beiden Sektoren wird der CO2-Ausstoß bereits wirksam über den europäischen Emissionszertifikatehandel reguliert und bepreist. Auch die Umsetzung des Ausstiegs aus der Kohleverstromung liegt in seiner Hand. Als Bundeswirtschaftsminister hat Altmaier aber auch die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt im übergeordneten Blick. Beide sollen durch den Klimaschutz keine Blessuren davontragen. Konflikte mit Schulze sind programmiert. Rückendeckung für SchulzeOb eine Steuer kommt oder der Emissionszertifikatehandel auf Gebäude und Verkehr ausgeweitet wird, wie es der Sachverständigenrat vergangene Woche empfohlen hat, wird in den nächsten Wochen im Klimakabinett beraten. Auf den Prüfstand gehört auch das aktuelle Steuer- und Abgabensystem, das zwar Energie stark belastet, dem aber ein enger Bezug zum CO2-Ausstoß fehlt. Dafür sitzt Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) mit am Tisch. Nicht nur die Finanzen wird er im Blick haben, sondern auch Schulze Rückendeckung geben.