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Mexikos Zentralbankchef Carstens ist Favorit auf den Chefposten bei der BIZ

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 18.10.2016 Der Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel steht weniger im öffentlichen Rampenlicht als etwa jener der US-Notenbank Fed oder der Europäischen Zentralbank (EZB) und...

Mexikos Zentralbankchef Carstens ist Favorit auf den Chefposten bei der BIZ

Von Mark Schrörs, FrankfurtDer Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel steht weniger im öffentlichen Rampenlicht als etwa jener der US-Notenbank Fed oder der Europäischen Zentralbank (EZB) und das Amt bedeutet weniger direkte Macht – schließlich entscheidet die BIZ nicht über Leitzinsen und Wertpapierkäufe. Trotzdem ist der Posten an der Spitze der BIZ, die als Zentralbank der Zentralbanken gilt, äußerst begehrt – verspricht er doch viel Prestige und die Möglichkeit, die Debatten in der weltweiten Geldpolitik zumindest mitzuprägen. Heiße PhaseIn diesen Tagen und Wochen nun geht das Rennen um die Nachfolge des aktuellen BIZ-Chefs Jaime Caruana, dessen zweite Amtszeit Ende März 2017 endet, in die heiße Phase: Nach Informationen der Börsen-Zeitung ist dabei Mexikos Zentralbankchef Agustín Carstens aktuell der große Favorit auf die Nachfolge des Spaniers als BIZ-Generaldirektor. Als weiterer ernsthafter Kandidat gilt noch EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré aus Frankreich. Die endgültige Entscheidung fällt der BIZ-Verwaltungsrat wohl spätestens um den Jahreswechsel herum.In den vergangenen Jahren hat sich die BIZ – oft zum Missfallen der Notenbanker – sehr kritisch zu der ultraexpansiven Geldpolitik weltweit geäußert und vor Risiken vor allem für die Finanzstabilität gewarnt. Dafür stehen neben Caruana vor allem die beiden profilierten BIZ-Ökonomen Claudio Borio und Hyun Song Shin. Shin warnte unlängst im Interview der Börsen-Zeitung sogar, womöglich sei der Punkt bereits erreicht, an dem die ultralockere Geldpolitik mehr schade als nutze (vgl. BZ vom 2. September). 2014 warf Großbritanniens Notenbankchef Mark Carney der BIZ öffentlich vor, “in einem Vakuum” zu leben.Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wird die Entscheidung über die Caruana-Nachfolge nicht nur in Fachzirkeln mit Spannung erwartet. Die Entscheidung fällt der Verwaltungsrat der BIZ, in dem aktuell Bundesbankpräsident Jens Weidmann als erster Deutscher überhaupt den Vorsitz hat und in dem unter anderen die Zentralbankchefs aus den USA (Janet Yellen), Euroland (Mario Draghi), Japan (Haruhiko Kuroda) und Großbritannien (Carney) sitzen.Der 58-Jährige Carstens, der aktuell ebenfalls Mitglied im BIZ-Verwaltungsrat ist, ist seit Anfang 2010 Gouverneur der mexikanischen Zentralbank. Der promovierte Ökonom hat in den achtziger und neunziger Jahren bereits lange Zeit bei Banco de México gearbeitet – und war zu der Zeit wesentlich daran beteiligt, die Finanzkrise des Landes zu bewältigen. Von 1999 bis 2000 war der Mexikaner beim Internationalen Währungsfonds (IWF) Exekutivdirektor der Ländergruppe, in der auch Mexiko vertreten ist, und von 2003 bis 2006 Stellvertreter des IWF-Chefs. Von 2000 bis 2003 arbeitete er als Vize-Finanzminister seines Landes, und Ende 2006 wurde er Finanzminister. Carstens ist in internationalen Kreisen bestens vernetzt und genießt dort viel Ansehen. Aktuell ist er auch Vorsitzender des IWF-Lenkungsausschusses, des IMFC.2011 kandidierte Carstens gemeinsam mit der französischen Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde für das Amt des IWF-Direktors, das durch den Rücktritt von Dominique Strauss-Kahn frei geworden war. Am Ende fiel die Entscheidung auf Lagarde – nicht zuletzt deshalb, weil die Europäer in Zeiten der Euro-Schuldenkrise nicht von der Tradition lassen wollten, dass das höchste Amt beim IWF in europäischen Händen ist. Sollte Carstens an die Spitze der BIZ rücken, wäre er auf dem Posten ebenfalls der erste Vertreter aus einem Schwellenland. Seit 1930 kamen alle Generaldirektoren aus Europa – mit der Ausnahme von Caruanas Vorgänger, dem Kanadier Malcolm Knight. Mit Coeuré dagegen setzte sich diese Tradition von Europäern an der BIZ-Spitze fort. “Orthodoxer Zentralbanker”Carstens hat an der University of Chicago studiert, die gemeinhin als eine Hochburg der eher antikeynesianischen Ökonomen gilt, die der ordnenden Kraft des Markts vertrauen und weniger von staatlichen Interventionen halten. Als das renommierte Fachmagazin “Euromoney” ihn 2013 zum “Zentralbanker des Jahres” kürte, hieß es, Carstens sei “ein orthodoxer Zentralbanker in einer unorthodoxen Welt”. Die Inflation in Mexiko hat er seit Amtsantritt deutlich reduziert. 2015 lag sie mit 2,7 % unterhalb des Preisziels der Zentralbank von 3 %. Gleiches erwartet der IWF auch für 2016. Das Wachstum lag 2015 bei 2,5 % und soll sich laut IWF 2016 auf 2,1 % verlangsamen. Vertrauter DraghisCoeuré gehört dem EZB-Direktorium seit Ende 2011 an. In dem Führungsgremium ist der 47-jährige Franzose nicht nur für den Bereich Finanzmärkte zuständig, der in der Weltfinanz- sowie der Euro-Schuldenkrise enorm an Bedeutung und Einfluss innerhalb der Notenbank gewonnen hat, sondern auch für das Thema Internationales. Coeuré gilt zudem als enger Vertrauter von EZB-Präsident Draghi. Ein Abgang Coeurés wäre für Draghi mithin ein schwerer Verlust.Coeuré halten viele Finanzmarktteilnehmer für eine “Taube” im EZB-Rat, also für einen Verfechter einer im Zweifelsfall eher lockereren Geldpolitik, wie eine große Umfrage von Morgan Stanley Ende 2014 ergeben hat (vgl. BZ vom 3.12.2014). Coeuré selbst dagegen ist überzeugt, dass die EZB in den vergangenen Jahren entschlossen habe handeln müssen, weil es genauso ihre Pflicht sei, bei einem Unterschreiten des EZB-Preisziels von knapp 2 % gegenzusteuern wie bei einem Überschreiten. Im EZB-Rat gilt Coeuré als einer der profiliertesten Notenbanker, und er genießt unter Zentralbankern weltweit großen Respekt. Im vergangenen Jahr war er Kandidat im Rennen um die Nachfolge von Christian Noyer an der Spitze der französischen Zentralbank. Den Zuschlag erhielt dann aber François Villeroy de Galhau.