Mit dem Rücken zur Wand
Die USA haben im Steuerstreit mit der Schweiz zum finalen Schlag ausgeholt. Offenbar sind sie wild entschlossen, die helvetischen Banken und den Finanzplatz in die Knie zu zwingen. Entweder biegen die Eidgenossen ihre Gesetze jetzt so zurecht, dass sie den US-Justizbehörden in Windeseile Unmengen von geschützten Personen- und Kundendaten überstellen können – oder es kommt zur Eskalation. Wenn sich das Parlament verweigern sollte, wäre innerhalb kurzer Zeit mit weiteren Anklagen, auch gegen größere Banken zu rechnen, warnt die Regierung in ihrer Botschaft zum vorgeschlagenen dringlichen Bundesgesetz, mit dessen Hilfe der nun schon mehr als zwei Jahre andauernde Spuk endlich beendet werden soll.In diesem Szenario wäre der Untergang der Bank Wegelin nur ein Vorspiel gewesen. Jetzt, so wollen die Amerikaner verstanden werden, könnte es selbst einer mit Staatsgarantie versehenen Zürcher Kantonalbank an den Kragen gehen. Die volkswirtschaftlichen Folgen einer Anklage gegen solch ein Großinstitut sind potenziell verheerend.Wut und Konsternation herrschen unter den Schweizer Parlamentariern, egal, aus welcher politischen Ecke sie stammen. Aus demokratischer Sicht ist dieser von den Amerikanern ultimativ geforderte Gesetzesbeschluss in der Tat eine Zumutung. Tausende von Bankmitarbeitern, Treuhändern, Anwälten und Vermögensverwaltern sollen der US-Justiz ans Messer geliefert werden, obwohl die meisten von ihnen nicht einmal gegen Schweizer Recht verstoßen haben. Noch ist einfache Steuerhinterziehung in der Schweiz kein Straftatbestand und erst recht nicht die Beihilfe dazu. Dazu kommt, dass das Gesetz die üblichen parlamentarischen Gepflogenheiten aushebelt. Die Schweizer Politiker sind an langsame Entscheidungsprozesse gewöhnt. Jetzt müssen sie praktisch aus dem Stand Ja oder Nein sagen, ohne die Konsequenzen richtig abschätzen zu können.Wie viel Buße die Banken im Rahmen des am Mittwoch präsentierten Arrangements bezahlen sollen und was der Vertrag sonst noch für Klauseln enthält, sollen die Fraktionschefs erst in letzter Minute erfahren, unmittelbar bevor die Räte zu ihren ordentlichen Sommersitzungen zusammentreten, um das dringende Geschäft zu behandeln.Zu viele Banken haben 2009 und danach noch fleißig amerikanische UBS-Kunden angeworben, obwohl sie die Großbank auf Geheiß Amerikas vor die Tür gesetzt hatte. Das hat Washington zu dieser harten Reaktion veranlasst. Die Schweizer wissen aber schon längst, dass sich ihre Banken in diesem Debakel mit Schuld beladen haben. Und der Finanzplatz wandelt sein Verhalten derzeit so schnell, wie man es nie für möglich gehalten hätte. Deshalb empfinden die Schweizer das Verhalten der Amerikaner als unfair. Und wer mit dem Rücken zur Wand steht, ist unberechenbar. An einer unkontrollierten Eskalation des Streites kann auch Washington kein Interesse haben.