Mit der Smartphone-App gegen das Coronavirus
Von Stefan Paravicini, BerlinDie Suche nach einem Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus läuft auf Hochtouren. Ein anderer Wirkstoff zur Bekämpfung der Pandemie, der bereits mehr als 20 000 Menschen weltweit zum Opfer gefallen sind und von der mittlerweile mehr als eine halbe Million Menschen direkt betroffen sind, scheint bereits gefunden. So setzen immer mehr Regierungen auf das Smartphone und die Auswertung von Handydaten, um der Ausbreitung des Virus beizukommen. Welche Rolle der Datenschutz dabei spielt und ob die Regeln angesichts der Gefahr durch das Virus geändert werden sollen, wird unterschiedlich bewertet.Das Handytracking, das in vielen Ländern Asiens seit dem Ausbruch des Coronavirus längst an der Tagesordnung ist, gibt es in Europa bisher nicht. Angesichts der Erfolge, die beispielsweise Südkorea und Taiwan bei der Überwachung der Quarantäne und Ortung von Kontaktpersonen mit Infizierten vorweisen können, werden aber auch hierzulande die Rufe danach lauter. Einer der Fürsprecher ist Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der für die Zeit nach Ostern eine öffentliche Diskussion über die Auswertung von persönlichen Bewegungsdaten angekündigt hat. “Diese gesellschaftliche Debatte braucht es aus meiner Sicht”, sagte Spahn am Donnerstag und deutete an, dass von den Ergebnissen dieser Debatte auch abhänge, wie schnell die Rückkehr zur Normalität inmitten der Einschränkungen wegen des Virus gelingen könne.Auch andere Unionspolitiker haben sich für den Einsatz einer sogenannten Tracking-App starkgemacht, die sich die Bürger freiwillig auf ihr Handy laden könnten. Sie soll wie eine Art digitales Tagebuch funktionieren, in dem die Kontakte zu anderen Menschen verzeichnet werden und das – falls ein Nutzer positiv auf das Coronavirus getestet wird – automatisch und anonymisiert alle Menschen benachrichtigt, die in den zurückliegenden zwei Wochen mit ihm Kontakt hatten. Das soll die Gesundheitsämter entlasten, die dieser Aufgabe bislang manuell nachgehen.Ursprünglich hatte Spahn geplant, den Gesundheitsbehörden bei einer “epidemischen Lage von nationaler Tragweite” zu erlauben, Kontaktpersonen von Erkrankten anhand von Handy-Standortdaten zu ermitteln, dadurch ihre Bewegung zu verfolgen und sie im Verdachtsfall zu kontaktieren. Die Behörden hätten zudem Verkehrsdaten zur Bestimmung des Aufenthaltsortes nutzen dürfen – etwa um den Betroffenen über sein persönliches Risiko zu informieren. Doch ein entsprechender Passus im Entwurf eines Gesetzes zu Krisenreaktionsmaßnahmen wurde nach heftiger Kritik gestrichen.Andere Länder sind schon weiter. In der Slowakei soll es vorübergehend ermöglicht werden, Bewegungen von Bürgern anhand von Handydaten zu verfolgen. Justizministerin Maria Kolikowa sagte dem Parlament, dass dies eine weitreichende Verletzung der Freiheitsrechte darstellt, sie allerdings glaube, dass das Recht auf Leben darüber stehe.Die meisten Apps, an denen derzeit von Helsinki bis Madrid gearbeitet wird, geben sich mit weniger Daten zufrieden. Das Rote Kreuz in Österreich hat vor wenigen Tagen eine “Stopp-Corona-App” präsentiert. Wer sie auf seinem Handy installiert, muss dafür keine personenbezogenen Daten preisgeben. Ähnliche Überlegungen werden auch beim Deutschen Roten Kreuz angestellt. In Polen hat die Regierung eine Quarantäne-App für Bürger, die aus dem Ausland zurückkehren, auf den Markt gebracht. Die polnische Datenschutzbehörde, die für die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union verantwortlich ist, war in die Entwicklung nicht eingebunden.—— Gesundheitsminister Jens Spahn will die Pandemie auch mit Hilfe von Bewegungsdaten stoppen. ——