Mit der Union im Regal
Robert Habeck, Co-Vorsitzender von Bündnis 90/ Die Grünen, hat beim Parteitag am Wochenende die Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels mit den Erfahrungen beim Besuch eines Supermarkts verglichen: Neulich habe der Discounter, in dem er gelegentlich einkaufe, die Regale neu angeordnet, erklärte Habeck im Rahmen der virtuell abgehaltenen Veranstaltung, bei der die Grünen ein neues Grundsatzprogramm verabschiedet haben, mit dem sich die Partei im nächsten Jahr für eine Regierungsbeteiligung empfehlen will. Er habe sich schwer zurechtgefunden, doppelt so lange Zeit für seine Einkäufe gebraucht und sei richtig schlecht gelaunt gewesen, schilderte der Co-Parteichef. “Warum in aller Welt konnten die die Dinge nicht lassen, wie sie waren?”, fragte Habeck in seiner Video-Ansprache aus der Veranstaltungshalle in Berlin-Kreuzberg, die an das angesagte “TED-Talk”-Format erinnerte, und schob den Schluss seines Vergleiches gleich hinterher: In gewisser Weise würden derzeit auch die Regale der Gesellschaft umgebaut und viele Menschen fänden sich nicht mehr zurecht.Wer schon länger den Verdacht hegt, dass es sich die Grünen in gut situierten konservativen Wählerschichten behaglich gemacht haben und mit der Regierungsverantwortung im Blick auch gelernt haben, die von ihnen angemahnte Geschwindigkeit beim ökosozialen Umbau der Gesellschaft an das Tempo der Mitte anzupassen, dürfte sich bestätigt sehen. Wer die neu sortierten Regale bei Alnatura als Analogie für die Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels verwendet, dem wird man jedenfalls keine Absichten für radikalen Umbau unterstellen. Das neue Grundsatzprogramm der Grünen passt im Regal denn auch prima neben die Union. Von den Ideen, die einer schwarz-grünen Koalition ab 2021 im Wege stehen könnten, hat es eigentlich nur der Verweis auf ein Grundeinkommen in das Programm geschafft.Mit ihrem digitalen Parteitag haben die Grünen den von ihnen formulierten Führungsanspruch in technischer Hinsicht bereits eingelöst, während die CDU noch über die Möglichkeiten einer digitalen Wahl eines neuen Vorsitzenden brütet. Ob Baerbock und Habeck in Zeiten dramatischer Veränderungen durch Pandemie, Klimawandel und die Verschiebung internationaler Gewichte mit ihren Parteitags-auftritten den richtigen Ton getroffen haben, wird sich weisen. Wer die Nähe der Union gesucht hat, ist im Supermarkt der politischen Ideen in den vergangenen Jahren häufig ganz weit unten im Regal gelandet.