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Mogelpackung aus Athen

Börsen-Zeitung, 12.4.2014 Gerade einmal zwei Jahre ist es her, da war Griechenland pleite. Nur ein Schuldenschnitt, bei dem private Gläubiger auf mehr als 100 Mrd. Euro verzichteten, konnte damals in Verbindung mit neuen Milliardenhilfen der...

Mogelpackung aus Athen

Gerade einmal zwei Jahre ist es her, da war Griechenland pleite. Nur ein Schuldenschnitt, bei dem private Gläubiger auf mehr als 100 Mrd. Euro verzichteten, konnte damals in Verbindung mit neuen Milliardenhilfen der sogenannten Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) das Land aus der Zahlungsunfähigkeit holen. Das sollte nicht vergessen werden, wenn nun die Märkte verzückt den Verheißungen vom Ende der Hellas-Krise lauschen wie ein verliebtes Pärchen den Klängen der Bouzouki.Aber vermutlich haben die Marktteilnehmer einfach nur kühl analysiert, als sie jetzt mit 20 Mrd. Euro wedelten, um bei der ersten Bond-Emission Griechenlands seit vier Jahren dabei zu sein. Denn die Zeichnung der fünfjährigen Anleihe scheint fast ohne Risiko, allen Ramsch-Ratings zum Trotz. Das drückt sich in der Rendite unterhalb der 5-%-Marke aus. Die Erklärung: Nach dem Schuldenschnitt vom März 2012, bei dem die privaten Gläubiger mehr als die Hälfte ihrer Forderungen abschreiben mussten, steht nun das Gros der griechischen Staatsschulden in den Büchern von öffentlichen Gläubigern, nicht zuletzt der EZB.Letztere haben sich seinerzeit nicht am Schuldenschnitt beteiligt. Und sie wollen und werden auch keinen abermaligen Schuldenschnitt zulassen, selbst wenn Griechenland seine Reformaufgaben nicht erfüllt, die Staatsverschuldung weiter wächst und für den Schuldendienst irgendwann kein Geld mehr da ist. Und eine Umschuldung der jetzt an den Markt gebrachten, nur 3 Mrd. Euro ausmachenden Anleihe, die nach den seit 2013 üblichen “collective action clauses” (CAC) ja möglich wäre, brächte Griechenland nicht einmal den berühmten Tropfen auf den heißen Stein, würde aber den letzten Rest von Kapitalmarktvertrauen verdampfen lassen. Unter dem Schirm der EZBGriechenland genießt den impliziten Schutz der Eurozone und ihres Finanziers namens EZB. Während die europäische Politik als Lehre aus der Finanzkrise inzwischen ein Abwicklungsregime für die Banken in der Eurozone etabliert hat und die Institute einen zunächst auf 55 Mrd. Euro angelegten Fonds befüllen müssen, ist sie in eigener Sache untätig geblieben. Eine Insolvenzordnung für Staaten, wie sie zuletzt vor drei bis vier Jahren im Angesicht der griechischen Finanznot und absehbaren Zahlungsunfähigkeit nicht nur allenthalben gefordert, sondern auch in etlichen konkreten Vorschlägen zur Diskussion gestellt worden war, gibt es immer noch nicht.Dabei ist die Notwendigkeit einer solchen Insolvenzordnung für Staaten nicht geringer geworden. Das hat vor zwei Jahren das Hickhack um die private Gläubigerbeteiligung und die Verweigerung der öffentlichen Hand beim griechischen Schuldenschnitt gezeigt. Und das lässt auch der Blick auf die heutige Verschuldungslage Griechenlands angeraten sein. Denn jenseits der aktuell zwischen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras beim Besuch in Athen ausgetauschten Höflichkeiten muss leider festgestellt werden, dass die Reformfortschritte so selten zu greifen sind wie die kleinen Eidechsen auf den Steinblöcken der Akropolis.Die Staatsverschuldung Griechenlands gemessen am BIP lag 2013 mit 174 % sogar schon wieder höher als vor dem Schuldenschnitt von 2012; damals waren es 170 %. Das Defizit der öffentlichen Haushalte betrug 2013 immer noch 2,6 %. Zwar hat es zuletzt einen kleinen Primärüberschuss im Haushalt gegeben. Doch lügen sich die Gläubiger der Griechen in die eigene Tasche, wenn sie dieser Kennzahl Beachtung schenken. In ihr sind die Zinslasten auf die wieder wachsende absolute Staatsschuld ausgeblendet, also ausgerechnet jene Leistungen, die die Griechenland-Gläubiger ja nun auf alle Fälle erwarten. Insolvenzordnung überfälligIn absoluter Höhe übersteigt die Staatsverschuldung des Jahres 2013 mit 329 Mrd. Euro bereits wieder die des Jahres 2010 (328 Mrd. Euro), nachdem sie 2012 dank der Umschuldung von 355 auf 307 Mrd. Euro gesunken war. Wenn man die günstigen Konditionen der jüngsten Anleiheemission zugrunde legt, errechnet sich eine jährliche Zinslast von 15 Mrd. Euro. Faktisch ist es dank billiger EZB- und EFSF/ESM-Finanzierungen nur die Hälfte. Doch selbst wenn der Primärüberschuss eines Tages so hoch sein sollte, dass damit diese Zinslast geschultert werden könnte, wird bis dahin der Schuldenberg weiter wachsen und Hellas förmlich erdrücken. Prognose: Der Tag wird kommen, an dem Griechenland abermals umschulden muss.Deshalb sollte endlich eine Insolvenzordnung für Staaten angegangen werden, ehe es wieder zu spät ist und im Zeichen einer bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit alle Beteiligten wieder nur der Einsatz der Feuerwehr interessiert und nicht der vorbeugende Brandschutz.Ein Staat kann ja nicht im herkömmlichen Sinn Konkurs anmelden wie ein Industrieunternehmen. Es gibt keine Liquidation und auch keinen Insolvenzverwalter, der Vermögen versilbern und an die Gläubiger verteilen könnte. Auch die demokratisch gewählte Regierung bleibt im Amt und wird nicht durch einen Verwalter ersetzt. Zentrales Ziel einer Insolvenzordnung für Staaten – manche sprechen lieber von “Resolvenz”-Ordnung – muss sein, die Zahlungsfähigkeit nachhaltig wiederherzustellen. Fondslösung ein WegEin Weg könnte die schon für die Bankenunion gewählte Fondslösung sein. Zu denken wäre bei Staaten an einen überstaatlichen Fonds, der die Staatsschulden versichert und von den Mitgliedstaaten finanziert wird. Je besser das Rating und je geringer also das Ausfallrisiko einer Staatsanleihe, desto geringer wären die Beitragszahlungen in diesen Fonds. Belohnt würden in einem solchen Modell die echten Konsolidierungsfortschritte und nicht – wie gerade beim Marktauftritt Griechenlands – die Wahrscheinlichkeit, Moral Hazard durchzusetzen.c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus Döring Griechenlands Schuldenlast wächst weiter: Der Tag der nächsten Umschuldung wird kommen.——-