World Economic Outlook

IWF stemmt sich gegen Auseinanderdriften der Weltwirtschaft

Seit Jahren gibt es global einen Trend zur geoökonomischen Fragmentierung. Durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg hat sich das noch verschärft. Der IWF warnt nun vor den Folgen und mahnt mehr Globalisierung an.

IWF stemmt sich gegen Auseinanderdriften der Weltwirtschaft

IWF warnt vor Spaltung der Weltwirtschaft

Währungsfonds attestiert hohe Kosten politisch-ökonomischer Blockbildung – Plädoyer für globale Integration

ms Frankfurt

Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt vor hohen ökonomischen Kosten für die Weltwirtschaft und Risiken für die Finanzstabilität, sollte sich die politisch-ökonomische Blockbildung weiter intensivieren. Langfristig könnten sich die globalen Produktionsverluste auf fast 2% des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) belaufen, heißt es in einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Kapitel aus dem neuen Weltwirtschaftsausblick. Besonders betroffen seien in dem Fall Schwellen- und Entwicklungsländer. Zudem nähmen durch die Spaltung die Gefahren für das globale Finanzsystem zu, heißt es in einem ebenfalls am Mittwoch vorab veröffentlichten Kapitel aus dem neuen globalen Finanzstabilitätsbericht. Die Experten appellieren deshalb an die Entscheidungsträger, politisch-strategische Überlegungen gegen die ökonomischen Kosten abzuwägen.

Pandemie und Krieg

Mit ihrer Analyse stemmt sich der IWF gegen den Trend zur geoökonomischen Fragmentierung, der seit einiger Zeit zu beobachten ist und der in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Ein Grund war zuletzt insbesondere die Corona-Pandemie, die die Anfälligkeit globaler Lieferketten offenbart und dazu geführt hat, dass viele Länder die Produktion wichtiger Güter verstärkt in die eigenen Landesgrenzen verlagern wollen („Reshoring“). Noch einmal verstärkt worden ist das dann durch den Ukraine-Krieg und die zunehmende Konfrontation zwischen den USA und China. Wenn nicht ganz nach Hause streben viele Länder zumindest Produktionsverlagerungen in befreundete Länder an (Friendshoring).

Das US-Finanzministerium etwa sprach sich im April 2022 dafür aus, dass Unternehmen ihre Lieferketten in Richtung „Friendshoring“ verlagern sollten. Vor kurzem schlug dann die EU-Kommission den Net Zero Industry Act vor, um den Subventionen im Inflation Reduction Act (IRA) der US-Regierung entgegenzuwirken. Und auch China ist bestrebt, importierte Technologie durch lokale Alternativen zu ersetzen, um weniger abhängig von geopolitischen Rivalen zu sein.

Die IWF-Experten stellen in ihrer Analyse im Weltwirtschaftsbericht nun vor allem auf die Folgen der Fragmentierung auf die ausländische Direktinvestitionen („foreign direct investments“, FDI) ab. „Wenn sich die geopolitischen Spannungen weiter verschärfen und Länder entlang geopolitischer Bruchlinien weiter auseinanderdriften, könnten sich die ausländischen Direktinvestitionen noch stärker innerhalb von Blöcken gleichgerichteter Länder konzentrieren“, heißt es in der Analyse. Als besonders gefährdet für den Abzug von Direktinvestitionen gelten den IWF-Experten viele große Schwellenländer. Allerdings seien auch die Industrieländer nicht immun. Das gelte insbesondere für Länder, in denen der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen in strategischen Sektoren sehr hoch sei. „Eine Zunahme der politischen Spannungen könnte eine große Umverteilung der Kapitalströme auf globaler Ebene auslösen“, heißt es in der Analyse. Das wiederum erhöhe auch die Risiken für die Finanzstabilität, heißt es in dem Kapitel aus dem Finanzstabilitätsbericht.

Die Neuausrichtung von Lieferketten könnten zwar potenziell die nationale Sicherheit stärken und einen technologischen Vorsprung gegenüber geopolitischen Konkurrenten aufrechterhalten, so die IWF-Experten. Zugleich warnen sie aber deutlich: „Das Reshoring oder Friendshoring zu bestehenden Partnern führt häufig zu einer geringeren Diversifizierung und macht die Länder anfälliger für makroökonomische Schocks.“ Alles in allem kommen sie zu dem Ergebnis, dass die langfristige Fragmentierung der Investitionsströme zu Verlusten von 2% des BIP führen könnte. „Eine fragmentierte Welt ist wahrscheinlich eine ärmere Welt“, so das Fazit.

Abwägung nötig

Deshalb haben die Experten auch eine klare Empfehlung: „Die weit verbreiteten wirtschaftlichen Kosten der Fragmentierung der ausländischen Direktinvestitionen legen nahe, dass die politischen Entscheidungsträger die strategischen Beweggründe für Reshoring und Friendshoring sorgfältig gegen die gegen die wirtschaftlichen Kosten für ihre eigenen Volkswirtschaften und die Spillover-Effekte für andere abwägen sollten.“ Die geschätzten Produktionsverluste zeigten zudem, „warum es von entscheidender Bedeutung ist, die globale Integration zu fördern – vor allem, wenn die großen Volkswirtschaften eine nach innen gerichtete Politik verfolgen“.