IM BLICKFELD

Nach einem turbulenten Jahr Hausfrieden im FOMC

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 9.1.2020 In den USA haben sich Rezessionsängste in Luft aufgelöst. Der Arbeitsmarkt brummt, und die Teuerungsrate unterschreitet das zweiprozentige Inflationsziel der Notenbank. Zusätzlichen Optimismus...

Nach einem turbulenten Jahr Hausfrieden im FOMC

Von Peter De Thier, WashingtonIn den USA haben sich Rezessionsängste in Luft aufgelöst. Der Arbeitsmarkt brummt, und die Teuerungsrate unterschreitet das zweiprozentige Inflationsziel der Notenbank. Zusätzlichen Optimismus lässt die Waffenruhe im US-chinesischen Handel aufkommen: Kommende Woche werden Präsident Donald Trump sowie Vertreter der chinesischen Regierung den Vertrag in Washington besiegeln. Unter dem Strich gibt es also keine erkennbaren Anlässe für die Federal Reserve, in absehbarer Zeit den Geldhahn weiter auf- oder abzudrehen. Für eine interessante Dynamik und, wie die meisten Experten annehmen, weitgehend konfliktfreie Sitzungen des Offenmarktausschusses (FOMC) könnten aber die jährlich anstehenden personellen Veränderungen im Lenkungsgremium der Zentralbank sorgen.Schließlich war 2019 von einem andauernden Dissens in den Reihen der Währungshüter geprägt. Traditionell fasst das FOMC nämlich nach lebendigen Diskussionen, die zuweilen auch hitzig werden können, dennoch einstimmige Zinsbeschlüsse. Ganz anders im vergangenen Jahr. Dreimal setzte der Ausschuss den Leitzins um jeweils 25 Basispunkte herunter. Im Juli aber stimmten zwei der Notenbanker gegen den Beschluss. Eric Rosengren, Präsident der Federal Reserve Bank von Boston, und Esther George, die den Fed-Ableger in Kansas City leitet, wollten den bestehenden Zins beibehalten.Beide äußerten die Sorge, dass eine Lockerung der Geldpolitik spekulative Exzesse nach sich ziehen könnte. Zudem würden Unternehmen ebenso wie private Haushalte dadurch ermuntert, sich zu überschulden. Sollte die Wirtschaft in eine Rezession abgleiten, was im Sommer 2019 durchaus denkbar erschien, dann würden die Folgen laut Rosengren und George umso schwieriger zu verkraften sein. Drei Abweichler im SeptemberNoch turbulenter ging es im September zu. Nachdem das FOMC die zweite Senkung des Tagesgeldsatzes verkündet hatte, wurde bekannt, dass sich zu George und Rosengren, die ihre Einwände wiederholten und erneut dagegen votierten, ein dritter Gouverneur gesellt hatte. James Bullard, Präsident der regionalen Notenbank in St. Louis, lehnte den Zinsbeschluss ebenfalls abDabei argumentierte Bullard aber ganz anders. Statt eines Verzichts forderte er eine deutlichere Lockerung um 50 Basispunkte. Seine Vorbehalte: Die Rezessionsgefahr sei weiterhin akut, gerade vor dem Hintergrund der andauernden Spannungen im Handel mit China. Im Oktober erhoben schließlich die Regionalpräsidenten aus Boston und Kansas City ihre üblichen Einwände und sprachen sich zum dritten Mal gegen eine Zinssenkung aus.Die Abweichler Rosengren, George und Bullard gehörten zu jenen rotierenden Gouverneuren, die nur ein Jahr lang stimmberechtigt sind. Aus dem erlesenen Kreis der Stimmberechtigten scheidet zudem Charles Evans von der Chicago Fed aus. Ihnen folgen vier Notenbanker, die, von einer Ausnahme abgesehen, konsensfähig sein dürften. Vor diesem Hintergrund erscheint der Optimismus, mit dem Experten den acht FOMC-Sitzungen im laufenden Jahr entgegensehen, berechtigt. Die Fed dürfte abwartenNeu sind dieses Jahr Loretta Mester, Präsidentin der Cleveland Fed, Patrick Harker aus Philadelphia, Robert Kaplan aus Dallas und Neel Kashkari, der die Federal-Reserve-Bank von Minneapolis steuert. Alle vier sind bei den Zinsbeschlüssen im Offenmarktausschuss stimmberechtigt. Dabei scheinen Mester, Harker und Kaplan mehr oder weniger an einem Strang zu ziehen. Mester hat gegen Jahresende klargemacht, dass sie die drei Lockerungen im vergangenen Jahr für überflüssig hielt, jetzt aber bereit ist abzuwarten und zu sehen, inwieweit sich das verarbeitende Gewerbe erholt und die Deeskalation im Handelsstreit mit China wirklich tragfähig ist.Ähnlich schätzt Kaplan die Lage ein. Er rechnet nur dann mit Änderungen des Zielkorridors für den Leitzins, der seit Oktober bei 1,5 bis 1,75 % liegt, “wenn sich signifikante Abweichungen von der Prognosen für das Wirtschaftswachstum, die Inflationsrate und die Arbeitslosenquote abzeichnen”. Harker, der den Zinssenkungen skeptisch gegenüberstand, weicht kaum von den Positionen seiner zwei Kollegen ab und vertritt die Ansicht, dass man am Status quo “festhalten und abwarten” sollte.Für Schlagzeilen, Gesprächsstoff und hitzige Debatten könnte unter den Neuzugängen am ehesten Kashkari sorgen. Er gilt als meinungsstark und tendiert dazu, für weitere Lockerungen zu plädieren. Die Geldpolitik solle darauf abzielen, “die Wirtschaft zu stützen, nicht auf die Konjunkturbremse zu treten”, meint der Vorsitzende der Federal Reserve von Minneapolis. Kashkari sagt, er wolle die Daten im neuen Jahr sorgfältig im Auge behalten, ehe er ein umfassendes Urteil fällt.Alles in allem spricht einiges dafür, dass in der neuen Besetzung FOMC-Sitzungen weitgehend konfliktfrei ablaufen werden. Einiges deutet darauf hin, dass sich die Fed in diesem Jahr zurückhalten wird, sofern nicht die Konjunktur einbricht, die Preise unerwartet stark steigen oder die Wirtschaft überhitzt. In neuer Besetzung kommt das FOMC erstmals am 28. und 29. Januar zusammen.