Nagel für unabhängige Behörde als Kontrolleur der EU-Staatsfinanzen
Nagel schaltet sich in Debatte über EU-Fiskalregeln ein
Bundesbankpräsident für unabhängige Institution als Kontrolleur der Staatsfinanzen – Restriktive Haushaltspolitik nötig
ms/rec Frankfurt/Brüssel
Einen Tag vor wichtigen Beratungen zur Reform des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts hat sich Bundesbankpräsident Joachim Nagel für eine unabhängige Institution zur Überwachung der Staatsfinanzen der EU-Länder ausgesprochen. Das könne den Prozess „entpolitisieren“ und verbessern, sagte Nagel bei einer Rede am European Economic and Financial Centre in London. Zudem plädierte der Notenbanker für weniger Ausnahmen und weiter konkrete numerische Vorgaben.
Die Bundesbank hat sich bereits in der Vergangenheit für eine unabhängige Institution als Kontrolleur der Staatsfinanzen ausgesprochen. Trotzdem ist der Zeitpunkt der Wortmeldung bemerkenswert. Am Donnerstag beraten die EU-Finanzminister erneut über die Reform des Stabilitätspakts und die Zeit drängt. Denn mit dem Jahreswechsel wird der aktuelle wieder vollumfänglich greifen. Ein Durchbruch zeichnet sich aber noch nicht ab (vgl. BZ vom 8. November).
EU-Fiskalausschuss im Fokus
In den zähen Verhandlungen gibt es auch Bestrebungen, den Europäischen Fiskalausschuss etwas stärker einzubinden. Dabei handelt es sich um ein Beratungsgremium der EU-Kommission. Angedacht ist eine permanente Rolle, wenn es um Einschätzungen zur Ausrichtung der Fiskalpolitik in der Eurozone geht. Dafür soll der Fiskalausschuss besseren Zugang zu Informationen bekommen. Die EU-Kommission wird aber kaum zulassen, dass die Reform der Fiskalregeln zulasten ihrer zentralen Rolle bei der Koordinierung der nationalen Haushalspolitik geht.
Bundesbankchef Nagel kritisierte nun, dass der Stabilitätspakt in der Vergangenheit „nicht adäquat“ umgesetzt worden sei. Auch Deutschland hatte in vergangenen Jahren zur Aufweichung des Pakts beigetragen. Zudem sagte Nagel, dass der Vorschlag der EU-Kommission zur Reform keine Verbesserung brächte: „Er bietet einen großen Spielraum für Interpretationen und Ermessensspielraum. Und das droht die Bindungswirkung der Fiskalregeln noch weiter zu schwächen.“
Nagel hat vor allem in zwei Bereichen Verbesserungsbedarf ausgemacht. „Erstens sollte die Zahl der Ausnahmeklauseln deutlich reduziert werden. Denn bei zu vielen Schlupflöchern besteht die Gefahr, dass die Konsolidierungsziele verwässert werden“, so Nagel. „Wir brauchen stattdessen konkrete, nicht verhandelbare Mindeststandards.“ Zweitens könne die Überwachung der Staatsfinanzen an eine unabhängige Institution delegiert werden. Als Beispiel nannte er den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM): „Denn durch eine ,Entpolitisierung‘ des Überwachungsprozesses könnte die Einhaltung der Vorgaben verbessert werden.“
"Expansive Grundtendenz"
Mit Blick auf die weiter zu hohe Inflation sagte Nagel, dass jetzt eine restriktive Fiskalpolitik angezeigt sei. Der aktuelle Rückgang der Defizitquoten sei positiv, gehe aber vor allem auf das Ende von Krisenmaßnahmen zurück. „Ich sehe die Gefahr, dass sich eine expansive Grundtendenz durchsetzt.“