Geldpolitik

Nagel weist Kritik an EZB-Zinskurs zurück

Nach dem aggressivsten Zinserhöhungskurs seit Einführung des Euro wachsen die Sorge und die Kritik, dass die EZB überzieht. Bundesbankpräsident Joachim Nagel widerspricht – und plädiert für weitere Zinsschritte.

Nagel weist Kritik an EZB-Zinskurs zurück

Nagel weist Kritik an EZB-Zinskurs zurück

„Straffen der Geldpolitik zeigt Wirkung, aber nicht übermäßig“ – Appell an Fiskalpolitik

ms Frankfurt

Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat Kritik zurückgewiesen, die Europäische Zentralbank (EZB) übertreibe mit ihren Zinserhöhungen und würge die Wirtschaft unnötig ab. „Das Straffen der Geldpolitik zeigt Wirkung, aber nicht übermäßig“, sagte Nagel am Donnerstag in Frankfurt. Er untermauerte vielmehr seine Forderung nach weiter steigenden Leitzinsen und betonte, dass die Straffung gerade zum Ziel habe, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu dämpfen. Zugleich appellierte er eindringlich an die Fiskalpolitik, den Kampf gegen die Inflation nicht zu untergraben.

Angesichts der 2021 und 2022 rasant gestiegenen Inflation hat die EZB ihre Leitzinsen seit Juli 2022 so aggressiv erhöht wie nie – um 400 Basispunkte. Der aktuell wichtigste Satz, der Einlagenzins, liegt nach der neuerlichen Anhebung vergangene Woche mit 3,5% so hoch wie zuletzt im Mai 2001. Inzwischen nehmen aber Sorgen zu, dass die EZB der schwächelnden Euro-Wirtschaft vollends den Garaus macht. Anfang der Woche hatte das dann bereits EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel zurückgewiesen. Die EZB solle lieber zu viel als zu wenig erhöhen, sagte sie (vgl. BZ vom 20. Juni).

Auch Nagel stellte sich nun gegen solche Vorwürfe. „Um weiterhin einen sicheren, glaubwürdigen Anker zu bieten, muss die Geldpolitik im Kampf gegen die Inflation überzeugen. Gegenwärtig geht es vor allem darum, mit Taten – sprich Leitzinserhöhungen – zu überzeugen“, sagte er bei einer gemeinsamen Konferenz der Bundesbank und des Aktionskreises „Stabiles Geld“. Er warnte vor allem vor der Gefahr, dass sich die Inflationserwartungen vom EZB-Ziel von mittelfristig 2,0% lösen könnten. „Die Drosselung der Nachfrage ist wichtig, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen“, sagte er. Im Mai lag die Teuerung noch bei 6,1%.

Die bisherigen Zinserhöhungen und ein Einlagenzins von 3,5% genügen aus Sicht von Nagel noch nicht. „Ich denke, damit ist noch kein ausreichend hohes Niveau erreicht“, sagte er. Wie weit die Zinsen tatsächlich steigen müssten, werde aber von den eingehenden Daten abhängen. Für Juli hat die EZB bereits eine weitere Anhebung um 25 Basispunkte avisiert. Der große Streitpunkt ist indes, ob es darüber hinaus weiter geht. Eins ist für Nagel in jedem Fall klar: „Wenn wir oben am höchsten Punkt angekommen sind, dann bleiben die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf diesem Level“, sagte Nagel. Um die Inflation zu brechen, brauche es energisches Handeln genauso wie Beharrlichkeit. Entschieden widersprach Nagel Forderungen, die EZB und die Zentralbanken insgesamt sollten das verbreitete 2-Prozent-Ziel anheben, weil strukturelle Faktoren wie Demografie, Deglobalisierung und Dekarbonisierung das Erreichen unmöglich machten. Das wäre „ein Fehler erster Ordnung“, sagte er. Das würde „die Glaubwürdigkeit unterminieren“.

Nagel betonte zudem, dass die Fiskalpolitik ihren Beitrag im Kampf gegen die Inflation leisten müsse. „So sollten Deutschland und die anderen Euro-Länder die breit angelegten Krisenhilfen zeitnah auslaufen lassen.“ Dabei läge es nahe, die Energiepreisbremsen nicht über Ende des Jahres hinaus zu verlängern. Fiskalischer Spielraum, der sich durch niedrigere Energiepreise auftue, solle zudem jetzt nicht vollends ausgeschöpft werden.

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