Euro-Wirtschaft

Neue Daten stärken Position der EZB-Tauben

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat sich am Freitag nicht in die Karten schauen lassen, was weitere Zinserhöhungen betrifft. Am Montag veröffentlichte Konjunkturdaten unterstützen eher jene Notenbanker, die zur Vorsicht mahnen.

Neue Daten stärken Position der EZB-Tauben

Neue Daten stärken Position der EZB-Tauben

Kreditvergabe im Euroraum gibt weiter nach – Geldmenge M3 sinkt erstmals seit 2010

ms Frankfurt

Die Kreditvergabe an Unternehmen im Euroraum hat sich im Juli erneut und spürbar abgeschwächt. Zugleich schrumpfte die viel beachtete Geldmenge M3 erstmals seit dem Jahr 2010. Das teilte die Europäische Zentralbank (EZB) am Montag mit. Beide Entwicklungen belegen die Abschwächung der Euro-Wirtschaft und könnten Rezessionssorgen nähren. Sie deuten zugleich auf einen nachlassenden Inflationsdruck in der Eurozone hin. Beides dürfte damit eher jene im EZB-Rat stärken, die bei weiteren Zinserhöhungen zur Vorsicht mahnen.

Mit seinen beispiellosen Zinserhöhungen um 425 Basispunkte seit Juli 2022 zielt der EZB-Rat zwar nicht zuletzt darauf, über die Kreditvergabe die wirtschaftliche Aktivität zu bremsen, um so die zu hohe Inflation zu senken. Allerdings will er dabei auch nicht zu weit gehen und die Konjunktur komplett abwürgen. Zuletzt haben sich die Stimmen gemehrt, die vor einer zu starken Straffung warnen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte sich am Freitag zwar im Kampf gegen die Inflation entschlossen gezeigt, sich aber zugleich alle Optionen offengehalten (siehe Text auf dieser Seite).

Rezessionssorgen nehmen zu

Die Inflation im Euroraum hat sich zwar gegenüber dem Hoch von 10,6% im Oktober 2022 auf zuletzt 5,3% halbiert. Sie liegt damit aber immer noch deutlich oberhalb des EZB-Ziels von mittelfristig 2,0%. Zudem ist der zugrundeliegende Preisdruck nahezu ungebrochen. Die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel lag zuletzt mit 5,5% nur knapp unterhalb ihres kürzlich erreichten Rekordhochs. Allerdings haben jüngste Konjunkturdaten zu Befürchtungen geführt, dass die Euro-Wirtschaft inzwischen auf eine Rezession zusteuert.

Die neuen Daten der EZB zu Kreditvergabe und Gelmengenwachstum schüren nun eher die Konjunktursorgen. Die Banken im Euroraum vergaben im Juli 2,2% mehr Darlehen an Unternehmen als vor Jahresfrist. Im Juni hatte das Wachstum noch bei 3,0% gelegen. An die Privathaushalte reichten die Geldhäuser im Juli 1,3% mehr Kredite aus als vor Jahresfrist. Im Juni war das Wachstum mit 1,7% noch etwas höher ausgefallen. Vor allem die Kreditvergabe an Unternehmen steht mit Blick auf die Investitionen im besonderen Fokus auch der EZB selbst.

Laut EZB sank zudem die breiter gefasste Geldmenge M3 im Juli zum Vorjahresmonat um 0,4%. Es ist der erste Rückgang seit dem Jahr 2010. Bankanalysten hatten mit einer Stagnation gerechnet, nach einem Wachstum von 0,6% im Juni. Die Geldmenge kann Hinweise darauf geben, wie sich die Inflation weiterentwickeln wird. Die enger gefasste Geldmenge M1 schrumpft schon seit einiger Zeit. Im Juli ging sie aber noch deutlicher zurück als in den Monaten zuvor. Das Aggregat sank zum Vorjahresmonat um 9,2% (Juni: –8,0%). M1 gilt unter Ökonomen als verlässlicher Konjunkturindikator.

„Höhere Zinssätze und eine stagnierende Wirtschaft sorgen dafür, dass die Kreditvergabe der Banken immer schwächer wird. Das jährliche Wachstum der weit gefassten Geldmenge ist jetzt negativ. Dies verstärkt die Erwartung einer schwachen Wirtschaft in der Eurozone in den kommenden Quartalen“, sagte Bert Colijn, Senior Economist bei der ING. „Die heutigen Daten zeigen, dass die Geldpolitik weiter deutliche Auswirkungen hat, die jedoch nur allmählich eintreten. Dies bedeutet, dass sie für die zweifellos hitzig geführte Debatte im EZB-Rat über die Notwendigkeit einer weiteren Zinserhöhung im nächsten Monat wahrscheinlich kein Gamechanger sein werden.“

Sinkende Inflation erwartet

In den vergangenen Tagen hatten Euro-Notenbanker durchaus unterschiedliche Signale gesetzt. Die Hardliner ("Falken") im EZB-Rat wie Bundesbankpräsident Joachim Nagel hatten die Inflationsrisiken betont und Diskussionen über eine Zinserhöhungspause als verfrüht bezeichnet. Die "Tauben" dagegen, etwa Portugals Notenbankchef Mario Centeno, hatten wegen der Rezessionsgefahr zur Vorsicht bei weiteren Zinsschritten gemahnt (vgl. BZ vom 26. August) . Der EZB-Rat entscheidet das nächste Mal am 14. September. Am Donnerstag veröffentlicht Eurostat eine erste Schätzung für die Inflation im August. Insbesondere die Entwicklung der Kerninflation dürfte für die Euro-Notenbanker dann mit Blick auf die Sitzung eine besondere Rolle spielen. Volkswirte erwarten im Mittel einen Rückgang der Gesamtinflation von 5,3% auf 5,1% und der Kerninflation von 5,5% auf 5,2%.

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