Neue Einigungschance im EU-Haushaltsstreit
ahe Brüssel – Im Streit mit Polen und Ungarn um die Blockade des EU-Haushalts und des Corona-Wiederaufbaufonds zeichnet sich eine Einigung ab. Die Regierungen in Warschau und Budapest zeigten sich bereit, ein neues Kompromissangebot der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu akzeptieren. Dieses soll vor allem eine Zusatzerklärung zu dem umstrittenen neuen Rechtsstaatsmechanismus enthalten, der mit dem künftigen EU-Haushalt verknüpft wird und gegen den sich die beiden Staaten wehren.Offizielle Angaben und Details zu dem von deutscher Seite ausgehandelten Deal gab es gestern noch nicht. Wie in Brüssel zu hören war, soll die Zusatzerklärung aber unter anderem klarstellen, dass man den neuen Mechanismus vom Europäischen Gerichtshof überprüfen lassen kann, und dass in umstrittenen Rechtsstaatsfällen sich auch die Staats- und Regierungschefs mit dem Thema beschäftigen müssen. Auch soll die EU-Kommission das neue Instrument zunächst noch nicht einsetzen.Polens Vizeregierungschef Jaroslaw Gowin hatte eine Grundsatzeinigung mit Berlin gestern bestätigt. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hatte zuvor bereits nach Gesprächen in Warschau gesagt, man sei nur noch “einen Zentimeter” von einer Lösung entfernt. Polen und Ungarn hatten wegen des Streits ihr Veto gegen den nächsten mehrjährigen EU-Haushaltsrahmen und gegen den Wiederaufbaufonds – also gegen ein Finanzpaket im Volumen von 1,8 Bill. Euro – eingelegt. Sollte auf dem heute beginnenden EU-Gipfel keine Einigung gefunden werden, müsste die EU mit einem Nothaushalt ins neue Jahr gehen.Ob die übrigen 24 EU-Staaten den Kompromiss bestätigen, ist allerdings noch nicht klar. Die Bundesregierung wollte gestern den Durchbruch auch noch nicht bestätigen. “Ich kann nur sagen, dass eine Lösung von allen Beteiligten mitgetragen werden muss”, sagte eine Regierungssprecherin in Berlin. In Brüssel kamen gestern unterdessen die EU-Botschafter zu einer Sondersitzung zusammen. Ein Diplomat sagte im Anschluss, es habe eine “positive erste Aussprache” gegeben, bei der auch “eine Reihe von konstruktiven Fragen” gestellt worden seien. Vor dem EU-Gipfel gebe es jetzt erst einmal eine “vertiefte Analyse in den Hauptstädten”.Aus dem EU-Parlament kamen gemischte erste Reaktionen. Der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen, der den Haushaltsrahmen mit ausgehandelt hatte, sprach von einem bemerkenswerten Kompromiss. Orbán und sein polnischer Amtskollege Mateusz Morawiecki drohten als Verlierer vom Platz zu gehen. “Anstatt den Rechtsstaatsmechanismus zu verhindern, lassen sie sich jetzt mit einer nicht verbindlichen Erklärung abspeisen”, so Andresen. Jetzt liege der Ball bei der EU-Kommission, die kein Stillhalteabkommen abschließen dürfe. Der FDP-Abgeordnete Moritz Körner kritisierte das Entgegenkommen der deutschen Ratspräsidentschaft, die durch “halbseidene Deklarationen” den Rechtsstaatsfeinden die Gesichtswahrung ermögliche.