Neue EU-Kommission in Bedrängnis

Starttermin wackelt erneut: Ein britischer Kandidat fehlt und auch das EU-Parlament macht noch Probleme

Neue EU-Kommission in Bedrängnis

Die britische Regierung will vorerst keinen Kandidaten für die neue EU-Kommission benennen. Diese will dennoch am 1. Dezember starten und hat prompt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien eingeleitet. Aber auch der Kandidat aus Ungarn hat im EU-Parlament noch kein grünes Licht erhalten.ahe Brüssel – Trotz mehrmaliger Aufforderung aus Brüssel will die britische Regierung vorerst keinen Kandidaten für die neue EU-Kommission benennen. Die Regierung in London begründete dies in einem Brief an die Kommission mit der anstehenden Parlamentswahl. Die jetzige Vorwahl-Phase schließe die Nominierung eines Kandidaten für internationale Posten aus. Die EU-Kommission leitete nur Stunden später ein Vertragsverletzungsverfahren ein.Eigentlich sehen die EU-Verträge die Nominierung eines Kandidaten für die Kommission vor. Und auch die jüngste Brexit-Verlängerung bis Ende Januar war nur unter der Bedingung genehmigt worden, dass London einen Vertreter in die neue EU-Kommission schickt. Eine Sprecherin der Brüsseler Behörde verwies gestern darauf, dass Großbritannien in dem Schreiben allerdings seine Verpflichtungen als EU-Mitgliedsland auch grundsätzlich anerkannt und zugleich betont habe, die Bildung einer neuen EU-Kommission nicht behindern zu wollen.Nach Angaben der Sprecherin sei es weiterhin die Absicht von von der Leyen, am 1. Dezember ihr neues Amt zu übernehmen. Sie räumte aber auch ein, dass die Situation “sehr speziell, komplex und rechtlich bislang beispiellos” sei. Einen Ausweg soll nun das Vertragsverletzungsverfahren bieten: Die britische Regierung erhält nun noch einmal bis zum 22. November Zeit, sich schriftlich zu äußern.Eigentlich hatte von der Leyen und ihr Team schon am 1. November antreten sollen. Allerdings waren die drei von Frankreich, Rumänien und Ungarn nominierten Kandidaten im EU-Parlament durchgefallen. Vertragsverletzungsverfahren Sollte die neue EU-Kommission mit einem 27er- statt eines 28er-Teams an den Start gehen, könnte dies – so die Sorge – Klagen provozieren. Diplomaten in Brüssel verwiesen gestern allerdings darauf, dass es in der EU-27 die allgemeine Einschätzung gebe, dass die Gefahr relativ gering sei, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Antritt einer 27er-Kommission nachträglich für ungültig erklären würde. Der fehlende britische Kandidat dürfte den Start von der Leyens eigentlich nicht behindern, hieß es.Die neue EU-Kommission muss sich noch einmal in Gänze dem EU-Parlament stellen. Hierfür ist derzeit der 27. November anvisiert. Allerdings hat von der Leyen neben dem britischen auch noch ein ungarisches Problem. Bei den gestrigen Anhörungen der drei Ersatzkandidaten gaben die Fachausschüsse im EU-Parlament grünes Licht für die Rumänin Adina-Ioana Valean, die neue Verkehrskommissarin werden soll, sowie für den Franzosen Thierry Breton, der das Binnenmarkt-Ressort übernehmen soll, blockierten aber vorerst den Ungarn Oliver Varhelyi, der eigentlich neuer Erweiterungskommissar werden sollte.Varhelyi soll nun bis zur nächsten Woche weitere schriftliche Fragen zu seiner Eignung für den Posten beantworten. Danach könnte noch eine weitere Anhörung im Europaparlament folgen. Die Fraktionsvorsitzenden im Parlament wollen am nächsten Donnerstag das weitere Vorgehen entscheiden. Abgeordnete haben vor allem Bedenken, dass Varhelyi zu stark unter dem Einfluss seines Ministerpräsidenten Viktor Orbán steht und daher als Erweiterungskommissar ungeeignet ist. Dies wies der Diplomat in der Anhörung zurück. Er werde keinerlei Einmischung von einer nationalen Regierung in sein Ressort akzeptieren. Abgeordnete hatten zuvor gefragt, wie jemand wie Varhelyi die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten bei möglichen EU-Beitrittsverhandlungen prüfen könne, der von einer Regierung nach Brüssel geschickt sei, die das alles unterlaufe.Breton, der bis vor Kurzem Chef des IT-Dienstleisters Atos war, waren Interessenkonflikte vorgeworfen worden. Er hatte in seiner Anhörung aber verkündet, dass er mittlerweile alle Aktienpakete abgestoßen und Aufsichtsmandate abgegeben habe. – Wertberichtigt Seite 8