Neue Finanzierungsformen für Militärtechnik gefordert
Neue Finanzierungsformen für Militärtechnik gefordert
Bertelsmann-Politologin: „Europa hat Wachstumsfeld bislang verschlafen“ – Gefahr für eigene Souveränität
kro Frankfurt
Wagniskapitalinvestoren haben um Technologien, die sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke genutzt werden können („Dual Use“), bislang eher einen Bogen gemacht. Das lag nicht nur an ethischen Bedenken, sondern auch an wirtschaftlichen, kommen doch beispielsweise junge Firmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Vergleich zu etablierten Konzernen eher selten zum Zug. Um die eigene Sicherheit vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen nicht aufs Spiel zu setzen und Innovationen im Bereich Verteidigungstechnologie aktiv zu fördern, müssen sich die Länder Europas hier langsam aber sicher etwas einfallen lassen, findet Cathryn Clüver Ashbrook, Executive Vice President bei der Bertelsmann Stiftung. „Im deutschen und europäischen Kontext muss noch viel mehr passieren“, sagte die Politologin auf dem 9. Global Female Leaders Summit, einer Netzwerkveranstaltung für weibliche Top-Managerinnen in Wirtschaft und Politik. „Es muss mit Banken zusammengearbeitet werden und es muss an ESG-Richtlinien rangegangen werden, um Innovationsförderung aus Privatfinanzierungen von Venture-Capital-Gebern zu beschleunigen.“ Dual-Use-Technologien seien ein Wachstumsfeld, das „Europa bislang verschlafen hat“.
Deutlich weniger Investitionen
Im laufenden Jahr sind Wagniskapitalgeber tatsächlich bislang besonders zurückhaltend aufgetreten, wenn es um Verteidigungstechnologie geht. Bis Anfang Juni kam es in Europa laut dem US-Datendienst PitchBook gerade mal zu vier Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von 3,4 Mill. Euro. Im vergangenen Jahr waren es immerhin gut 230 Mill. Euro. Wenn es so weitergehe, werde man in Europa irgendwann womöglich gezwungen sein, „amerikanische Waffensysteme von der Stange zu kaufen“, sagte Clüver Ashbrook. Dies werde die hiesige Souveränität einschränken.
Die Politikwissenschaftlerin warnte auf dem Gipfel zugleich vor den möglichen Folgen des aktuellen „Superwahljahrs“ für die Demokratie. Die Zersplitterung der europäischen Parteienlandschaft werde „die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union nach der Wahl kurzfristig eindämmen“, sagte Clüver Ashbrook. „Da wir erst im November oder noch später eine volle Kommission haben werden, wird es einen Moment der Vulnerabilität geben, wodurch der Westen geschwächt und dysfunktional wirkt. Das alles spielt autoritären Mächten – vornehmlich Russland – in die Hände.“
Sorge vor „Project 2025“
In den USA lasse das sogenannte „Project 2025“ der konservativen Denkfabrik Heritage Foundation zudem nichts Gutes erwarten. Für den Fall einer zweiten Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Donald Trump sehe die Agenda unter anderem vor, das US-Justizsystem unter die Kontrolle des Präsidenten zu stellen. Außerdem werde darin empfohlen, dass die USA aus der Weltbank und aus dem Internationalen Währungsfonds austreten. Die Inspiration für solche Ideen hole sich Trump oft von außerhalb der USA – beispielsweise vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.
Clüver Ashbrook appellierte vor dem Hintergrund an die Wirtschaft, auch in politischen Dingen Haltung zu zeigen. „Wirtschaftlicher Erfolg, wie wir ihn uns im erweiterten Westen – also auch in Ländern wie Australien und Japan – vorstellen, basiert auf der Möglichkeit, Sicherheit herzustellen. Das geht nur mit Haltung. Man muss sich aktiv gegen Demokratiefeinde stellen und das müssen Unternehmen auch machen. Und sie müssen ihre Mitarbeiter mitnehmen.“