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Neue Ideen für einen Schweizer Staatsfonds

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 13.6.2017 Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren debattierte das Schweizer Parlament heftig über allerlei Möglichkeiten zur Schaffung eines Staatsfonds. Diskutiert wurden mitunter auch bereits ältere Ideen,...

Neue Ideen für einen Schweizer Staatsfonds

Von Daniel Zulauf, ZürichFast auf den Tag genau vor zwei Jahren debattierte das Schweizer Parlament heftig über allerlei Möglichkeiten zur Schaffung eines Staatsfonds. Diskutiert wurden mitunter auch bereits ältere Ideen, wie die immensen Devisenreserven der Schweizerischen Nationalbank (SNB) produktiv und zum Wohl des Landes nutzbar zu machen wären. Ein parlamentarischer Auftrag erging auch an die Regierung (Bundesrat), Sinn und Machbarkeit eines Staatsfonds zu evaluieren. Im vergangenen Dezember erteilte diese allen Vorschlägen eine klare Absage.Sechs Monate später steht das Thema schon wieder auf der Agenda. Noch diese Woche soll in der großen Kammer ein Vorstoß mit sozialdemokratischem Absender eingereicht werden. Susanne Leutenegger-Oberholzer glaubt, dass sich die politischen Chancen für ein solches Projekt seit der Parlamentswahl im Herbst 2015 verbessert haben. Die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) ging als Siegerin aus jener Wahl hervor, und die Staatsfonds-Idee genießt in SVP-Kreisen einige Sympathien. Deshalb sagt die sozialdemokratische Abgeordnete: “Wenn SP und SVP etwas verändern wollen, dann können sie das machen. Wir sind vielleicht am Ausgangspunkt eines spannenden Prozesses.” Die Idee eines Staatsfonds geistert seit über fünf Jahren durch Politik und Wirtschaft in der Schweiz. Zeitlich fällt die Diskussion zusammen mit dem immensen Wachstum der Notenbankbilanz. Als Folge der vielen und umfangreichen Interventionen des Instituts zur Verhinderung einer “übermäßigen” Aufwertung des Franken haben sich in der SNB-Bilanz Devisenreserven von 720 Mrd. sfr angesammelt. Das Geld ist mehrheitlich in europäischen oder amerikanischen Staatsanleihen angelegt. Aber 20 % sind auch in Aktien investiert. Heiße KartoffelDie Nationalbank behandelt diesen Bilanzposten ein bisschen wie eine heiße Kartoffel. Die Devisenanlagen hätten keinerlei Selbstzweck, sondern seien allein das Resultat ihrer geldpolitischen Arbeit, betonen die Franken-Hüter bei jeder Gelegenheit. In der Tat möchte die SNB ihre Bilanz so bald wie möglich wieder verkleinern. Sie sehnt sich geradezu danach, die in den Krisenjahren gegen Euro oder Dollar eingetauschten Franken wieder einzusammeln und dem Geldkreislauf zu entziehen. Deshalb legt die SNB die Devisenanlagen primär in sogenannten liquiden Wertpapieren an, die jederzeit veräußerbar sein sollten. Als Zweites müssen die Anlagen dem Gebot der Werthaltigkeit genügen. Erst an dritter Stelle kommt das Ziel, eine Rendite zu erwirtschaften.Vielen der bisher vorgelegten Ideen zur Konstruktion eines Staatsfonds liegt der Gedanke zugrunde, einen Teil dieser Devisenreserven aus der Notenbankbilanz auszugliedern. Das Kapital soll dann in einer neu zu schaffenden Institution mit einer eigenen Governance, einem separaten politischen Mandat und mit entsprechenden Zielen verwaltet werden. Doch gegen solche Ideen steigt die Nationalbank auf die Barrikaden. Sie argumentiert, dass sie ihre Aufgabe nicht mehr verfassungsgemäß erfüllen könne, wenn sie die absolute Hoheit über ihre Bilanz verlöre. Und sie sagt – zu Recht -, dass sie die Devisenreserven nicht mit dem eigenen Geld, sondern mit dem Geld von Sparern und Investoren erworben habe. Deren Guthaben sind auf der Passivseite der Nationalbank als Giroguthaben und Sichteinlagen der Geschäftsbanken ersichtlich.Schon vor Jahresfrist hat UBS-Ökonom Daniel Kalt im kleinen Kreis einen Ausweg aus dem Dilemma aufgezeigt. Im Rahmen einer vertraulichen Diskussionsrunde unter dem Dach der wirtschaftsliberalen Denkfabrik avenir suisse legte Kalt auch unter Beisein eines hochrangigen Nationalbank-Vertreters einen Plan auf den Tisch, den zu prüfen auch die Notenbank ernsthaft in Erwägung ziehen könnte.Über die Diskussionen und die Reaktionen in der exklusiven Runde will der Ökonom auch ein Jahr danach noch nicht sprechen. Doch seine Ideen trägt er gern in die Öffentlichkeit: “Ich glaube, sie könnten einen Beitrag zur Lösung eines politisch ziemlich vertrackten Problems liefern”, sagt er. Statt die Devisenreserven direkt anzufassen und damit die Bilanzhoheit der Nationalbank anzutasten, sollte ein Staatsfonds aus den Gewinnen gebildet werden, die sich aus den Verkäufen dieser Devisenbestände in einer mittleren oder auch ferneren Zukunft ergeben sollten. So wäre auch den eigentumsrechtlichen Argumenten der SNB gegen eine Auslagerung der Devisenbestände Genüge getan. Die Bedingung für einen erfolgreichen Bilanzrückbau ist selbstverständlich, dass sich die Eurozone wirtschaftlich erholt und die Gemeinschaftswährung wieder an Wert zulegen kann. Mindestens für die UBS-Ökonomen ist dieses Szenario aber gar nicht unrealistisch und auch nicht Lichtjahre entfernt. Schon bis Jahresende sollte 1 Euro wieder um die 1,15 sfr kosten, prognostiziert die Bank. 50 Mrd. sfr oder mehrVon den rund 720 Mrd. sfr dürfte die Nationalbank etwa 200 Mrd. Euro zu Kursen von über 1,45 sfr eingekauft haben. Ein noch größerer Teil wurde dagegen zu Kursen zwischen 1 sfr und 1,20 sfr eingekauft. Aus der Rückabwicklung dieser Transaktionen könnte ein Fonds in der Größenordnung von 50 Mrd. sfr oder noch mehr entstehen. Gleichzeitig könnte die Nationalbank auch die jährliche Ausschüttung an Bund und Kantone an den Fonds übertragen. “Ein solcher Staatsfonds hätte das Potenzial, die Nationalbank aus der Mangel der Politik herauszuführen”, glaubt Kalt. Die SNB würde ihre Gewinne nicht mehr direkt an Bund und Kantone ausschütten, sondern an den Staatsfonds. Dessen Erträge würden wiederum an Bund und Kantone verteilt. Allerdings räumt er ein, dass auch die Governance der Fondsleitung ein politisch kniffliges Problem werden könnte.Doch immerhin: Die Vorgaben über die Anlage der Gelder kämen nicht mehr von der Nationalbank, und die dort geltende Hierarchie der Anlagegrundsätze könnte in einem Staatsfonds verändert werden. Zum Beispiel so, dass die Rendite nicht mehr an letzter, sondern an erster Stelle stünde. Auch das Primat der Liquidität, das der Nationalbank bislang jede Investition in langfristige Infrastrukturprojekte oder in nicht öffentlich handelbare Unternehmenskredite oder -beteiligungen verbietet, könnte zugunsten wirtschaftlich oder gesellschaftlich wünschbarer Projekte aufgeweicht werden.”Ich glaube nicht, dass wir uns mit der Schaffung eines Staatsfonds beeilen müssen”, sagt Kalt. “Aber es ist gut, die Diskussion schon jetzt zu führen, dass wir bereit sind, wenn es losgehen kann.” Am kommenden Donnerstag hält die SNB ihre traditionelle sommerliche Pressekonferenz zur geldpolitischen Lagebeurteilung ab. Das Thema Staatsfonds dürfte dort ebenfalls zur Sprache kommen.