BREXIT

Neue politische Statik

Nachdem gestern die EU-Botschafter grünes Licht gegeben haben, dürfte eigentlich nicht mehr viel schiefgehen mit dem kurz vor knapp vereinbarten Post-Brexit-Deal. Es sind noch einige wenige Verfahrensschritte zu gehen, und dann kann das Handels- und...

Neue politische Statik

Nachdem gestern die EU-Botschafter grünes Licht gegeben haben, dürfte eigentlich nicht mehr viel schiefgehen mit dem kurz vor knapp vereinbarten Post-Brexit-Deal. Es sind noch einige wenige Verfahrensschritte zu gehen, und dann kann das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Großbritannien pünktlich am 1. Januar vorläufig in Kraft treten. Und auch wenn die zehnmonatigen Verhandlungen zwischen Brüssel und London einmal mehr eine Zumutung waren, in der bis zuletzt politische Spielchen ihren Platz hatten, auch wenn den Unternehmen jetzt nur noch wenige Tage bleiben, sich auf das neue System vorzubereiten, und auch wenn nicht einmal eine Ratifizierung durch das Europäische Parlament mehr möglich ist – das Abkommen ist aus EU-Sicht ein großer Erfolg.Natürlich musste auch Brüssel Zugeständnisse machen, nicht nur bei der Rolle des Europäischen Gerichtshofes. Aber die wichtigsten Ziele in den Verhandlungen wurden erreicht: Zum einen wird ein chaotischer, harter Bruch zum Jahreswechsel verhindert, der nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die politischen Beziehungen auf Jahre vergiftet hätte. Zum anderen wird die Integrität des Binnenmarktes geschützt. Großbritannien muss sich auch künftig an bestimmte Standards halten, wenn es den zollfreien Zugang zum EU-Markt behalten will.Die Neuordnung der künftigen bilateralen Beziehungen ist mit dem Deal noch nicht abgeschlossen. Als Nächstes steht eine Einigung über die künftige Finanzmarktkooperation auf der Agenda. Aber es ist an der Zeit, jetzt noch einmal die langfristigen Folgen des Brexit für die EU in den Blick zu nehmen. Denn ganz abgesehen von der wirtschaftlichen Schwächung und dem außenpolitischen Gewichtsverlust verändert der Abschied von Großbritannien auch die innere Statik der Union. Und dies hat man auch im ablaufenden Jahr schon gemerkt.Zum einen können sich die kleineren (nordeuropäischen) marktliberalen und stabilitätsorientierten Mitgliedstaaten nicht mehr hinter Großbritannien verstecken, was bei den Haushaltsverhandlungen im Sommer bereits zur Bildung der Gruppe der selbst ernannten “sparsamen vier” geführt hat. Auf der anderen Seite war die EU in der Krise aber auch in der Lage, mit dem Beschluss zum Corona-Wiederaufbaufonds ein bislang nicht gekanntes Zeichen der Solidarität zu senden. Ob es einen solchen schuldenbasierten Fonds auch geben würde, wenn Großbritannien noch Mitglied der Gemeinschaft wäre? Viele in Brüssel haben daran ihren Zweifel.