Neue Streitpunkte bei Finanzsteuer

Einige Länder fordern Schonung von Absicherungsgeschäften - Umgang mit Pensionsfonds umstritten

Neue Streitpunkte bei Finanzsteuer

Die elf Staaten, die eine europäische Transaktionssteuer einführen wollen, tun sich ohnehin schon sehr schwer, sich über Details zu verständigen. Nun haben einige Euro-Regierungen noch zusätzliche Fässer aufgemacht.fed Brüssel – In zwei internen Arbeitspapieren, die der Börsen-Zeitung vorliegen, fordern Deutschland, Belgien und andere Regierungen, dass über Auswirkungen der geplanten Finanztransaktionssteuer auf die “Realwirtschaft” und auf Pensionsfonds beraten werden müsse. Konkret geht es einerseits um die steuerliche Behandlung der Absicherungsgeschäfte von Industrieunternehmen, mit denen unmittelbar kommerzielle Risiken beschränkt werden sollen. Andererseits wird verlangt, dass sich die elf Staaten eingehend mit dem Umgang der Transaktionen von Pensionsfonds befassen, um nachteilige Folgen für die Altersvorsorge zu vermeiden.Argumentiert wird, dass die Finanztransaktionssteuer, so wie sie die EU-Kommission vorgeschlagen hat, einen sehr breiten Anwendungsbereich hat – zumindest wenn man bedenkt, dass es ihr eigentliches Ziel war, einen fairen Beitrag “der Kreditwirtschaft” an den Kosten zur Bewältigung der Finanzkrise einzusammeln. Da der Gesetzesvorschlag aber nicht nach den Motiven unterscheide, die hinter den finanziellen Transaktionen stehen, werde auch die reale Wirtschaft belastet. Verwiesen wird auf einen Ansatz des EU-Parlaments, Geschäfte zu identifizieren, die eine direkte Verbindung mit der Absicherung von Warenverkehr haben – und diese Transaktionen dann steuerlich zu privilegieren.Das Papier nennt vier Optionen. Denkbar wäre eine komplette, beidseitige Ausnahme von der Transaktionssteuer, also eine Entlastung für Käufer und Verkäufer eines Wertpapiers, sobald auf mindestens einer Seite ein Unternehmen steht, das den Kontrakt zum Hedging seiner Aktivitäten nutzt. Oder, zweite Möglichkeit, nur diese eine Partei von der Steuer zu befreien – und die Gegenpartei zahlen zu lassen. Denkbar wäre schließlich eine Rabattierung der Sätze für die Realwirtschaft oder – viertens – großzügigere Schwellenwerte bei der Definition von Nicht-Finanzinstituten, etwa wenn es um die Limits für das nominale Handelsvolumen im Verhältnis zum Umsatz des Unternehmens geht. Zugleich wird zu bedenken gegeben, dass die EU-Wertpapieraufsicht ESMA bereits Bedenken geäußert hat, ob diese Differenzierung, die auch bei der Derivateverordnung Emir in Zusammenhang mit der Clearing-Pflicht eine Rolle spielt, überhaupt funktioniert.Was die steuerliche Behandlung von Pensionsfonds angeht, wird bemerkt, dass die geplante Steuer die Anbieter zu einer Korrektur ihrer Investmentstrategie zwingen könnte, da aktives Portfoliomanagement dann teuer werden könnte. Die Niederlande, das Euro-Land, wo Pensionsfonds die bedeutendste Rolle bei der Altersvorsorge spielen, zählt dem Vernehmen nach gerade wegen der Einbeziehung der Pensionsfonds nicht zur Gruppe der elf Staaten, die an der gemeinsamen Steuer tüfteln.Trotz aller Schwierigkeiten, sich bei zentralen Themen anzunähern, und trotz immer neuer Streitpunkte warnt der Geschäftsführende Vorstand des Deutschen Derivate Verbands, Hartmut Knüppel, den politischen Willen für die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer zu unterschätzen. “Auch wenn sich die Begeisterung für diese Steuer etwas gelegt hat, will niemand an ihrem Scheitern schuld sein”, ist Knüppel überzeugt. “Das wäre ein großer Gesichtsverlust.”