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Neuer indischer Notenbankchef schürt Sorgen

Von Julia Wacket, Frankfurt Börsen-Zeitung, 12.12.2018 Nur einen Tag nach dem abrupten Rücktritt seines Vorgängers Urjit Patel hat die indische Regierung Shaktikanta Das - einen Karrierebeamten - zum neuen Chef der Reserve Bank of India (RBI)...

Neuer indischer Notenbankchef schürt Sorgen

Von Julia Wacket, FrankfurtNur einen Tag nach dem abrupten Rücktritt seines Vorgängers Urjit Patel hat die indische Regierung Shaktikanta Das – einen Karrierebeamten – zum neuen Chef der Reserve Bank of India (RBI) ernannt. Seine Ernennung verdeutlicht die Einflussnahme des indischen Premiers Narendra Modi auf die Notenbank – was das anrichten kann, war zuletzt in der Türkei zu beobachten.Das, der 1980 in den indischen öffentlichem Dienst eintrat, war von 2015 bis 2017 Sekretär im Wirtschaftsministerium. 2016 war er das Gesicht der Demonetisierung, Modis Steckenpferd, bei der 86 % des umlaufenden Bargelds eingezogen wurde. Die geldpolitische Nacht-und-Nebel-Aktion wurde als Kampagne gegen Schwarzgeld, Korruption und Geldwäsche verkauft. Staatssekretär Das hielt regelmäßig Pressekonferenzen ab, um die Öffentlichkeit während des disruptiven monetären Experiments zu beruhigen und zu informieren. Nach seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst im vergangenen Jahr wurde der 63-jährige Mitglied eines von vier Vollzeitmitgliedern einer Kommission, welche die indische Regierung in Steuerangelegenheiten berät.Die Berufung des Bürokraten zum Notenbankchef ist Ausdruck einer immer größer werdenden politischen Einflussnahme auf die Notenbank durch die Regierung Modi, die versucht, jene in ihre Richtung zu lenken. Statt den Fokus auf Inflationsbekämpfung zu legen, fordert Modi konjunkturelle Impulse. Der Premier wünscht sich eine lockerere Geldpolitik. Kriselnde Banken sollen leichter Kredite vergeben können. Von den Zentralbankreserven will Modi künftig einen größeren Teil abzweigen, um damit höhere Staatsausgaben zu finanzieren.Delhi sieht die Interventionen als notwendig an, da sich einige ökonomische Indikatoren eingetrübt haben – und im Frühjahr 2019 Parlamentswahlen anstehen. Das Staatsdefizit steigt ebenso wie der Fehlbetrag in der Leistungsbilanz. Seit Jahresanfang hat die Rupie zum Dollar mehr als 10 % verloren, zudem schmelzen insgesamt die Fremdwährungsreserven. Und das staatliche Bankensystem plagen notleidende Kredite.Doch die Unabhängigkeit der Zentralbank wahltaktisch einzusetzen ist ein gefährliches Unterfangen – das hat nicht zuletzt das Beispiel Türkei gezeigt. Hier hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Wünsche an die Notenbank offensiv angemeldet und damit zu einer massiven Abwertung der Lira beigetragen. Um eine Situation wie in der Türkei zu vermeiden, stellte sich Vizegouverneur Viral Acharya im Oktober in einer warnenden Rede gegen die Beeinflussungsversuche. Regierungen, welche die Unabhängigkeit der Zentralbank nicht respektierten, zögen früher oder später den Zorn der Märkte auf sich und steckten die Wirtschaft in Brand. Unabhängigkeit in GefahrEx-Notenbankchef Patel hatte trotz heftigen politischen Drucks an strikter Inflationskontrolle festgehalten und gezeigt, dass er den Konflikt mit der Regierung nicht scheut. Dadurch gelang es, die Teuerung deutlich unter die 10-%-Marke zu drücken. Durch seinen Rücktritt ist die Zentralbank zu einem Unsicherheitsfaktor für Investoren geworden. Statt dies anzugehen, hat Modi nun ein klares Signal gegen eine unabhängige Zentralbank gesetzt. Ob sich Das bei Zinsentscheidungen gegen Modi stellen wird, bleibt abzuwarten. Eins ist klar: Die Märkte dürften die nächste RBI-Sitzung mit noch mehr Nervosität verfolgen.