NOTIERT IN WASHINGTON

Neuer Kongress und ein unveränderter Präsident

Die Kräfteverschiebung im neuen US-Kongress, der heute zusammentritt, wird nicht nur einschneidende Veränderungen für Präsident Donald Trump und den Handlungsspielraum seiner Regierung haben. Auch bedeutet die Wahl vom vergangenen November, dass...

Neuer Kongress und ein unveränderter Präsident

Die Kräfteverschiebung im neuen US-Kongress, der heute zusammentritt, wird nicht nur einschneidende Veränderungen für Präsident Donald Trump und den Handlungsspielraum seiner Regierung haben. Auch bedeutet die Wahl vom vergangenen November, dass neue Gesichter, die selbst politisch interessierten Amerikanern bisher unbekannt waren, groß in Erscheinung treten und eine prominente Rolle spielen werden. Gegenüberstehen werden sich unverblümte Kritiker des Präsidenten und einige seiner glühendsten Anhänger.Dass Amerikas Wähler Trumps Politik der Spaltung eine klare Absage erteilten, kommt nirgendwo stärker als in der vielfältigen Zusammensetzung des 116. Kongresses zum Ausdruck, und dies gar nicht mal nach Parteizugehörigkeit. Im Senat und Repräsentantenhaus werden nicht weniger als 125 Frauen ihre Staaten beziehungsweise Wahlbezirke vertreten. Eine absolute Rekordzahl, hatte es doch vorher zu keinem Zeitpunkt in der US-Geschichte auch nur 100 Frauen im Parlament gegeben. Mehr als ein Fünftel der Abgeordneten und Senatoren werden afroamerikanischer Abstammung sein. Zum ersten Mal schickten Wähler auch eine muslimische Frau und eine Frau indianischer Herkunft als Volksvertreter nach Washington.Besonders scharf werden natürlich die politischen Demarkationslinien sein. Die mächtigste Person auf dem Kapitolshügel wird die langjährige Abgeordnete Nancy Pelosi (78) aus Kalifornien sein. Als “Sprecherin des Repräsentantenhauses” würde Pelosi, die bereits von 2007 bis 2011 das Amt bekleidete, laut Verfassung nicht nur Präsidentin werden, sollten Trump und sein Stellvertreter Mike Pence vorzeitig das Amt verlassen.In ihrem aktuellen Job wird die sozialliberale Demokratin maßgeblich die Arbeit sämtlicher Ausschüsse beeinflussen können, in denen ihre Parteifreunde nun ausschließlich den Vorsitz führen. Unter anderem Ausschüsse, die Haushalte bewilligen, Steuergesetze einbringen, Reformvorschläge vorlegen oder Ermittlungen gegen den Präsidenten einleiten können. Trump weiß um den enormen Einfluss der Multimillionärin und attackierte sie wiederholt. Ebenso lädt er sie gemeinsam mit anderen Demokraten ins Weiße Haus ein, um über eine Beendigung des Verwaltungsstillstands und Mittel für seine Grenzmauer zu verhandeln.Flankiert wird Pelosi im Senat von ihrem Parteikollegen Chuck Schumer, der allerdings deutlich weniger Einfluss hat, weil die Republikaner dort in der Mehrheit bleiben werden. Zu neuer Prominenz können hingegen Abgeordnete wie Adam Schiff aus Kalifornien werden. Er wird künftig den Geheimdienstausschuss leiten und ist fest überzeugt, dass der Präsident über seine Verbindungen zu Moskau nicht die Wahrheit sagt.Dasselbe gilt für den langjährigen Trump-Kritiker Jerrold Nadler aus New York, der an der Spitze des Justizausschusses sitzen wird und ebenfalls den Beziehungen zwischen dem Präsidenten und dem Kreml auf den Grund gehen will. Ein Dorn im Auge des Präsidenten wird nicht zuletzt Elijah Cummings aus Maryland sein. Er wird den Ausschuss für Aufsicht und Verwaltungsreform steuern und hat somit die Möglichkeit, Zeugen vorzuladen, die unter Eid aussagen würden, und kann zudem unter anderem die Steuerunterlagen des Präsidenten anfordern.Gleich am Neujahrstag forderte US-Präsident Donald Trump via Twitter seine Anhänger auf, sich “zu beruhigen und die Fahrt zu genießen”. Für jene, die nicht unter “Trump-Verwirrtheitssyndrom leiden, wird es ein fantastisches Jahr!”, versprach er. Prompt kam es dann zu verbalen Hieben gegen einen dekorierten Vier-Sterne-General, der den Präsidenten “unmoralisch” nannte, und dann gegen Mitt Romney, den neu gewählten Senator aus Utah, den Trump seinerzeit sogar als potenziellen Außenminister erwogen hatte. Romney hatte sich angemaßt, von einer “Talfahrt” der Trump-Präsidentschaft zu sprechen, die im Dezember mit dem Rücktritt von Verteidigungsminister James Mattis einen Tiefpunkt erreicht habe. Sicher erscheint so gesehen nur eines: Wer hoffte, dass es im neuen Jahr etwas ruhiger um US-Präsident Donald Trump werden könnte und dass er seine Entgleisungen in den Griff bekommt, dürfte bitter enttäuscht werden.