Neuer Nationalismus beeinträchtigt China-Geschäft

Japanische Unternehmen investieren inzwischen lieber in Südostasien

Neuer Nationalismus beeinträchtigt China-Geschäft

Von Martin Fritz, TokioDie nationalistische Tonlage der japanischen Regierung wirkt sich zunehmend auf die Wirtschaftspolitik und Unternehmensstrategien aus. So sucht Regierungschef Shinzo Abe vermehrt politische und wirtschaftliche Partner in Südostasien, um sich gegen die Machtausdehnung Chinas zu stemmen.Zum Beispiel erlässt der japanische Staat Birma 3 Mrd. Dollar Altschulden und fördert in großem Stil Investitionen von japanischen Privatfirmen. Bis zur Demokratisierung war China der wichtigste Kapitalgeber von Birma. Zugleich wenden sich japanische Unternehmen vermehrt von China ab und orientieren sich Richtung Südostasien. Noch nie haben sie in dieser Region so viel zugekauft. Bis Ende Juli summierten sich die Übernahmen nach Angaben von Dealogic auf 8,2 Mrd. Dollar. Das war 13-mal mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Unterdessen gingen japanische Exporte und Investitionen Richtung China kräftig zurück.Die Firmen fürchten eine weitere Eskalation im Streit um eine Inselgruppe, auf die beide Seiten Besitzansprüche erheben. Anlässlich des 68. Jahrestags der Kapitulation im Weltkrieg haben die Spannungen in Ostasien einen neuen Höhepunkt erreicht. Premier Abe schickte eine rituelle Opfergabe zum umstrittenen Yasukuni-Gedenkschrein für 2,5 Millionen Kriegstote. Darunter sind auch 14 verurteilte Kriegsverbrecher. Daher fassen China und Korea das Gedenken von Politikern an dem privaten Schrein als Provokation auf. Bei einer staatlichen Zeremonie verzichtete Abe als erster Regierungschef seit 1995 darauf, sich zu den schmerzhaften Kriegsfolgen für Asien zu bekennen. Auch das übliche Versprechen, keinen Krieg mehr zu führen, ließ Abe weg. Darauf bestellte das chinesische Außenministerium in Peking den japanischen Botschafter ein. Die staatliche Agentur Xinhua sprach von einer “gefährlichen Wiederbelebung von Japans militaristischer Vergangenheit”.In den vergangenen Monaten hat die Abe-Regierung zunehmend nationale Töne angeschlagen. Sie fühlt sich dabei durch chinesische Vorstöße auf das Gebiet um die umstrittenen Inseln im Recht. Aber Abe setzt auch die Mission seiner ersten Amtszeit (2006/2007) fort, durch eine Relativierung der Kriegsschuld Patriotismus und Verteidigungsbereitschaft der Japaner zu stärken. Westliche Beobachter sprechen bereits von der “nationalistischsten Regierung in Tokio seit dem Zweiten Weltkrieg”. Die Verbrechen der Kaiserlichen Armee werden kleingeredet oder als historische Tatsachen in Frage gestellt. Ausgerechnet am Jahrestag des Hiroshima-Gedenkens wurde Japans neuer Zerstörer auf “Izumo” getauft. Den gleichen Namen trug ein Kriegsschiff, das in den dreißiger Jahren an Chinas Besetzung teilnahm. Abes Ziel ist eine Verfassungsreform, die den Pazifismus der Nachkriegszeit beendet. Dann ließe sich das 250 Meter lange Schiff als Flugzeugträger einsetzen.Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Spannungen, die im Herbst mit antijapanischen Unruhen in China begonnen hatten, sind nicht zu übersehen: Erstmals seit fünf Jahren waren im ersten Halbjahr wieder die USA mit einem Volumen von 66 Mrd. Dollar der wichtigste Handelspartner Japans. Der China-Handel erreichte dagegen nur 61 Mrd. Dollar. Die japanischen Exporte ins Reich der Mitte sackten in den ersten sechs Monaten um 16,7 % zum Vorjahr ab, und die Direktinvestitionen japanischer Firmen in China sanken um 31,1 % auf 4,9 Mrd. Dollar. Dagegen steigerten die Unternehmen ihre Kapitalausgaben in den südostasiatischen ASEAN-Staaten um 55,4 % auf den Rekordwert von 10,3 Mrd. Dollar.Nach Ansicht der Außenhandelsorganisation Jetro dürfte dieser Trend weitergehen, solange sich die Beziehungen mit China nicht verbessern. “Handel und Investitionen mit China sind in einem bedauernswerten Zustand”, klagte Jetro-Chairman Hiroyuki Ishige.