Neuer Streit in der Energiewirtschaft

Netzbetreiber kritisieren Klagen der Windradbetreiber über schleppenden Netzausbau

Neuer Streit in der Energiewirtschaft

kh Bonn – Das Übertragungsnetz für Strom in Deutschland soll in den nächsten zehn Jahren um 3 800 Kilometer auf neuen Trassen erweitert werden. Außerdem müssen 4 000 Kilometer auf bestehenden Trassen erneuert werden. Das sieht der Netzentwicklungsplan vor, den die Chefs der vier Übertragungsnetzbetreiber Tennet, 50 Hertz, TransnetBW und Amprion gestern Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben haben. Der Ausbau werde bis 2022 rund 20 Mrd. Euro kosten, sagte Martin Fuchs, der Chef von Tennet.Das ist nach seiner Einschätzung noch nicht der Gesamtbetrag, der notwendig ist. Hinzu kämen noch die Investitionen für den Netzanschluss von Windrädern im Meer. Dafür seien bereits 5,5 Mrd. Euro bereitgestellt worden. Weitere 6 Mrd. Euro seien nötig, um in zehn Jahren eine Kapazität von 11 000 Megawatt anschließen zu können. Bisher könnten 460 Megawatt angeschlossen werden. Es gebe aber nur Windräder mit insgesamt 200 Megawatt in Nord- und Ostsee, sagte Fuchs. Die Windradbetreiber lenkten mit ihren Klagen über verzögerte Anschlussmöglichkeiten nur von sich ab, kritisierte Fuchs. Er glaubt, dass die Probleme beim Anschluss nicht so sehr in der Finanzierung und der Lieferung von Kabeln liegen, sondern beim Bau von Plattformen für die Stromumwandler im Meer. Sie würden immer schwerer und könnten nicht mehr komplett an Land montiert werden.Ob eine gemeinsame Netzgesellschaft gebildet werden müsse, sei eine politische Frage, betonte Fuchs. Es gehe auch ohne eine solche Netzgesellschaft, meint Olivier Feix von 50 Hertz. Die Betreiber versicherten, sie wollten alles tun, um die Energiewende zu verwirklichen. Mit geeigneten Rahmenbedingungen sei das zu schaffen, sagte Fuchs. Dazu müssten aber Technik und Trassenverläufe von allen mitgetragen werden. Bis zum 10. Juli können alle Beteiligten ihre Stellungnahmen zum Entwicklungsplan bei der Bundesnetzagentur einreichen. “Energiewende machbar”Die Energiewende sei ein anspruchsvolles Projekt, dem sie sich mit Leidenschaft widmen werde, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie schloss darin auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und den neuen Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) ein, die mit ihr nach Bonn gekommen waren. Es bleibe beim Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022. “Wir fühlen uns dem Ziel absolut verpflichtet. Alle anderen Diskussionen spielen für uns keine Rolle”, sagte sie und reagierte damit auf Überlegungen von Mitgliedern in der CDU und der FDP, den Ausstieg zu lockern. Die Energiewende sei so machbar, wie sie vor einem Jahr beschlossen worden sei, sagte die Bundeskanzlerin. Sie sei ein Projekt, das auch international verfolgt werde. Es solle die industrielle Basis sichern, Umweltfreundlichkeit deutlich machen und den Strom auch in Zukunft bezahlbar halten.Die Planungen für den Ausbau des Stromnetzes hätten sich bereits mit dem Energieleitungsausbaugesetz von 2009 beschleunigt, stellte Merkel fest, obwohl erst 100 Kilometer neue Leitungen in Betrieb seien. Der vorgelegte Netzentwicklungsplan soll nach Beratungen mit allen Beteiligten zu einem Bundesbedarfsplan werden und noch in diesem Jahr in ein Netzausbaugesetz münden. Die Planung von länderübergreifenden Trassen soll dem Bund übertragen werden, fordert Wirtschaftsminister Rösler. Die Bundesregierung werde sich am 14. Juni mit den Ministerpräsidenten treffen, um über den Ausbau zu beraten, kündigte Merkel an.Die Energiewende könne und werde gelingen, versicherte Umweltminister Altmaier. Dazu müsse aber der Ausbau der erneuerbaren Energien besser mit dem Ausbau des Stromnetzes verzahnt werden. Er versprach eine gute Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Rösler.Die ganze Gesellschaft solle in den Umstieg auf erneuerbare Energien einbezogen werden, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann. Schwerpunkt des Netzentwicklungsplans seien leistungsstarke Nord-Süd-Leitungen. Höhere Stromumlage?Merkel verwies darauf, dass der Ausbau von Solaranlagen sich extrem beschleunigt habe. Das sei einerseits erfreulich, andererseits müsse die Bundesregierung aber gegensteuern. Sie hat bereits beschlossen, die Förderung von Sonnenstrom zu verringern, stößt dabei aber auf den Widerstand der Länder, weil die Hersteller damit in Schwierigkeiten geraten und einige schon Insolvenz angemeldet haben. Ob die Umlage der Stromverbraucher für die erneuerbaren Energien erhöht werden müsse, könne heute noch nicht seriös gesagt werden, teilte Merkel mit.