ARGENTINIEN-URTEIL

Neues Unheil droht

Wer gehofft oder erwartet hat, dass der Oberste Gerichtshof der USA die Urteile zweier niederer Instanzen aufheben und die argentinische Regierung aus der Pflicht entlassen würde, kennt das amerikanische Rechtssystem nicht. Schließlich geschieht es...

Neues Unheil droht

Wer gehofft oder erwartet hat, dass der Oberste Gerichtshof der USA die Urteile zweier niederer Instanzen aufheben und die argentinische Regierung aus der Pflicht entlassen würde, kennt das amerikanische Rechtssystem nicht. Schließlich geschieht es nur selten, dass die hohen Richter begründete Urteile zurückweisen. Hinzu kommt, dass die Entscheidung des Supreme Court zugleich ein Ausdruck jener Selbstverständlichkeit ist, mit der sich die USA anmaßen, in die Angelegenheiten ausländischer Staaten einzugreifen. Immerhin hätte das Urteil zur Folge, dass, ehe die Forderungen der klagenden Hedgefonds befriedigt sind, Zahlungen an Gläubiger, die sich 2005 und 2010 an den Umschuldungsvereinbarungen beteiligten, gestoppt werden können. In einer zweiten Entscheidung, die ebenfalls die globale Reichweite der US-Justiz dokumentiert, bestätigte das Gericht, dass Hedgefonds Informationen über argentinische Auslandsguthaben erhalten dürfen, um diese dann pfänden zu lassen.So gesehen ist die Empörung von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner verständlich. Sie betrachtet das Urteil als Erpressung, der ihre Regierung nicht nachgeben will. Doch Kirchner bewegt sich auf brüchigem Boden. Auf der einen Seite versichert sie, dass es zu keiner zweiten Staatspleite kommen werde. Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass der Gerichtsentscheid nur Inhaber von 1 % der notleidenden Staatsobligationen betrifft. Sollten aber andere Anleihehalter, die seinerzeit die Unterzeichnung der Schuldenreduzierung verweigerten, – sie repräsentieren weitere 7 % der unbeglichenen Schulden – nun ebenfalls auf Zahlung in voller Höhe bestehen, droht Unheil. Diese würden nämlich im Falle einer Auszahlung etwa die Hälfte der argentinischen Fremdwährungsreserven aufzehren, wodurch ein erneuter Staatsbankrott unabwendbar sein könnte.Auf einem anderen Blatt geschrieben stehen die berechtigten Sorgen von Anleihegläubigern, deren Forderungen noch gar nicht fällig sind. So müssen Ende dieses Monats wieder Zahlungen auf Staatstitel geleistet werden, die erst 2033 fällig sind. Melden sich aber nun jene 7 % der Gläubiger zu Wort, die den Schuldenschnitt abgelehnt hatten, würden die Zweifel an der Sicherheit der Staatsanleihen aufflammen. Nach der Ende Mai mit dem Pariser Club getroffenen Vereinbarung über die Rückzahlung von 7,2 Mrd. Dollar Euro an Schulden hatte es noch den Anschein, als sei Argentinien auf dem Wege, sich auf dem globalen Finanzparkett zu rehabilitieren. Diese Pläne könnte das Supreme-Court-Urteil nun wieder torpediert haben.