KOMMENTAR

Nicht zittern

Es wäre ein Fehler, die Bedeutung des Gas-Deals zwischen der Ukraine und Russland gering zu achten. Wer sich an die Bilder 2009 erinnert, die frierende Menschen in der Slowakei oder in Bulgarien zeigten, versteht schnell, warum es so wichtig war,...

Nicht zittern

Es wäre ein Fehler, die Bedeutung des Gas-Deals zwischen der Ukraine und Russland gering zu achten. Wer sich an die Bilder 2009 erinnert, die frierende Menschen in der Slowakei oder in Bulgarien zeigten, versteht schnell, warum es so wichtig war, dieses heikle Thema zu lösen, solange das Quecksilber noch nicht unter die Nulllinie gesunken ist. Denn wenn erst einmal Brennholz knapp wird und Zähne klappern, kann man Bürgern nicht wirklich vorwerfen, wenn sie sich von Europa vergessen fühlen und sich enttäuscht abwenden. “Nichts hat so viel politische Sprengkraft wie hungernde oder frierende Menschen”, haben deshalb EU-Diplomaten eindringlich vor einem Scheitern der Gespräche zwischen Kiew und Moskau gewarnt – und zwar eben nicht nur für die Beteiligten, sondern auch für Bürger in der EU. Wer nämlich könnte es der Ukraine verübeln, wenn sie in eigener Not die Pipelines in den Westen anzapfte, die durch ihr Land führen?All diese Sorgen scheinen nun weitgehend gebannt. Europa muss nicht zittern. Nicht vor dem Winter. Nicht im Winter. Dass die EU dafür eine halbe Hilfszusage für den Fall der Fälle abgeben musste, ist geschenkt. Gründe, die Unterstützung für die Ukraine aufzupolstern, wird es ohnehin geben. Und im Vergleich zu manch anderer Ausgabe der EU erscheint ein potenzieller Zusatzkredit von einer oder zwei Mrd. Euro für die Stabilisierung des in so vieler Hinsicht kritischen Nachbarlands Ukraine nicht als herausgeworfenes Geld.Ebenso wie vor einer Unterschätzung ist aber auch vor einer Überschätzung der Vereinbarung zu warnen. Der scheidende EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erkennt in seiner typischen Neigung, alles zum historischen Ereignis zu erklären, darin viel mehr als nur eine Klärung der Versorgungslage. Er schwärmt von der Stärkung des Vertrauens der Nachbarn untereinander. Der Portugiese täte gut daran, die rosarote Brille abzusetzen, wenn er von Brüssel aus nach Luhansk oder Donezk blickt.