VOR DER ZINSWENDE - KÖPFE DES JAHRES

N.N.

wf - Die Spekulationen über die Besetzung eines der einflussreichsten Posten in der deutschen Regierung laufen seit der Bundestagswahl im September heiß - nämlich den des Bundesfinanzministers. Zu Zeiten der Jamaika-Sondierungen sahen manche schon...

N.N.

wf – Die Spekulationen über die Besetzung eines der einflussreichsten Posten in der deutschen Regierung laufen seit der Bundestagswahl im September heiß – nämlich den des Bundesfinanzministers. Zu Zeiten der Jamaika-Sondierungen sahen manche schon FDP-Chef Christian Lindner oder dessen Parteikollegen Wolfgang Kubicki als Nachfolger von Wolfgang Schäuble (CDU), der nun Bundestagspräsident ist. Für die CDU wurden die Chancen als gering eingestuft, dieses mächtige Ministerium erneut zu besetzen. Und auch jetzt, wo Jamaika geplatzt ist und Union und SPD über eine Neuauflage der großen Koalition verhandeln, wird munter spekuliert, vor allem über die Frage, ob die SPD dieses Mal das Amt beanspruchen will – und falls Ja, für wen.Union und SPD werden sich erst nach der Jahreswende sortieren und klären, ob sie ein neues Bündnis eingehen wollen. Bis dahin erledigt Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) quasi im Nebenjob die Geschäftsführung in der Wilhelmstraße. Sollte die Neuauflage der großen Koalition tatsächlich kommen, wäre es für die SPD nur aus manchen Gründen attraktiv, sich das Finanzressort zu sichern. Andere sprechen sogar dagegen.Drei zentrale Aufgaben stehen in der neuen Legislaturperiode für den Finanzminister in spe an: solide Haushaltspolitik, konstruktive Steuerpolitik und vorausschauende Europa-Politik. Mit Blick auf Europa drängt die Zeit. Deutschland muss wieder entscheidungsfähig sein. Kurzfristige Fragen kann eine geschäftsführende Regierung lösen. Dies hat sich bei der Wahl des Vorsitzenden der Eurogruppe gezeigt. Längerfristig aber kommt die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion nicht voran, solange Frankreich auf Deutschland als Verbündeten warten muss. Das Finanzressort ist gefragt. Es geht um die Vollendung der Bankenunion, um institutionelle Reformen und – natürlich – ums Geld.Die SPD steht dem etatistischen Denken Frankreichs mit dem ebenso jungen wie ambitionierten Präsidenten Emmanuel Macron viel näher als die Union. Zudem verstehen sich die Sozialdemokraten als Wegbereiter der Internationale. Dies macht es für sie reizvoll, nach diesem Amt zu greifen.Die Notwendigkeiten in der Haushalts- und Steuerpolitik dürften die Sozialdemokraten dagegen bremsen. Soll das Ziel einer schwarzen Null im Bundesetat Bestand haben, muss der Minister vor allem ein Wort beherrschen: Nein. Die Ausgabenwünsche von CDU, CSU und SPD sind größer als der Finanzspielraum von 45 Mrd. Euro für die Legislaturperiode. Mit dem Ruf nach Solidarrente, Bürgerversicherung und mehr Investitionen des Staates steht die SPD in der Reihe der Spendierfreudigen ganz vorn. Überdies: Die Senkung der Einkommensteuer oder des Solidaritätszuschlags interessiert sie kaum. Damit ist aber die Union im Wahlkampf angetreten und muss nun liefern. Hinzu kommt der Druck, auch bei der Unternehmensbesteuerung nachzujustieren, da der internationale Steuerwettbewerb zunimmt.Wer weiß, ob die SPD sich nicht lieber als Erstes für das Außenministerium entscheidet? Dies verheißt dem Amtsinhaber auch viel höhere Beliebtheitswerte. Denn vergnügungssteuerpflichtig ist der Posten des Finanzministers nicht.